Und wieder könnte man sagen: Alle Jahre wieder!
Oder: once a year!
Oder: …
Stimmt! Als ich beim letzten Mal mit einer schweren Tasche durchs kalte Wien stapfte, neigte sich gerade das Jahr 2022 seinem Ende zu.
Und 2023 … Über dieses Jahr will ich gar nicht viel sagen, gab es doch die eine oder andere bittere Pille zu schlucken und bahnte sich Unverdauliches seinen Weg durch eine enge Schleuse …
Vielleicht deshalb, vielleicht auch aus anderen trivialeren Gründen, war es mir in 2023 nicht möglich, eine der Einladungen zur Kleidertauschparty wahrzunehmen, weshalb mir nicht nur nette Abende mit tauschlustigen Frauen entgingen, sondern auch die eine oder andere zu bewertende Location für dieses geladene Event.
Aufgrund dieser Abstinenz natürlich auch kein Wunder, dass über die Monate hinweg immer wieder einzelne Kleidungsstücke in einen separaten Sack landeten – wenige nur nach den Wintermonaten, mehr aber vor und nach den Sommermonaten, manches willkürlich und spontan, manches mit Bedauern (zu eng, zu kurz, zu jung, …) und einem Kopfschütteln („Was hat mich nur dazu getrieben, dieses Teil zu kaufen?!“).
In der Zeit, als wir ohne Küche waren und vieles in Umzugskisten ausharren musste, fiel der eine dunkelschwarze Sack gar nicht auf. Seitdem aber die neue Küche bei uns Einzug gehalten hat und wieder alles gut ver- und eingeräumt ist, da stach der prall gefüllte Sack täglich und schmerzhaft ins Auge.
Beinahe täglich schaute ich daher nach, ob vielleicht schon ein neuer Termin für einen Kleidertausch bekanntgegeben wurde. Doch leider nichts! ☹
Ist der Zauber verflogen? Ist die Lust dahin? Ist es zu mühsam geworden, zu langweilig?
Nichts von alledem!
Allein: Wie soll ein Kleidertausch stattfinden, wenn der Raum dazu fehlt?
Sich irgendwo für einen Abend einzumieten, ist meist teuer und möglicherweise auch zu unpersönlich. (Ich hatte ja auch einmal, in meinem Enthusiasmus, einen 108-Sonnengrüße-Abend organisieren zu wollen, einen Raum in einer Psychologenpraxis angemietet, quer durch die Stadt entfernt und ungünstig zu erreichen … außer Spesen nichts gewesen!)
Und wer will und kann in dieser Zeit noch ein Geschäftslokal anmieten, das von Grund auf zu sanieren wäre?
Meine Befürchtung wuchs, dass es nun vorbei sei mit der elitären Tauscherei – was dann also tun mit den aussortierten Kleidungsstücken? Seitdem bei mir in der näheren Umgebung immer wieder die Kleidersammelcontainer geplündert werden und viel Gewand dann einfach draußen liegen bleibt, nass wird und komplett vergammelt, kommt diese Option natürlich nicht mehr in Frage. Man könnte alternativ direkt in einen Humana-Laden gehen und versuchen, dass einem die Sachen abgenommen werden. Und die Sammelstelle der Caritas ist natürlich auch eine Möglichkeit.
Mir geht dabei aber ab, dass ich mitbekomme, wer meine Kleidung weitertragen wird, wie einzelne Teile an einer anderen Person komplett anders wirken können, wie ein bisschen Freude entsteht, wenn man die Schnellste war beim „Ich!“-Schreien.
Man kann auch beim Wiener Hilfswerk tauschen oder bei der „Wiener Wäsch“ oder auf dem „Fesch´markt“, aber bei Alex´ (bislang monatlichem) Kleidertauschevent kennen sich die Damen, sind über die Zeit Freundschaften entstanden, kann man gut abschätzen, wem was stehen könnte.
Daher war ich happy, als das E-Mail kam: Es gibt noch einen Kleidertausch in diesem Jahr – und eine Freundin wird großzügig ihr gemütliches Wohnzimmer zur Verfügung stellen!
Ich schaute Bodo tief in die Augen und stirnrunzelnd auf den schwarzen Sack – dann meldete ich mich gleich an, denn die Teilnehmeranzahl war mit 15 beschränkt.
Bodo war zwar mega-sauer, als er mich im vorweihnachtlichen Verkehrschaos durch die Stadt kutschieren musste – selber schuld: er hat von sich aus angeboten, mich und den schweren Koffer (für den Transport entschied ich mich für die Hartschale und: Shoppingfalte sei Dank!) an den „geheimen“ Ort zu bringen!
Nicht nur ich kam mit einem Koffer – im Eingangsbereich sah es rasch aus wie in einem Hotel im Gepäckraum! Daher wurden die Spielregeln etwas angepasst, und es kam diejenige dran, deren Koffer (oder Reistasche) weiter vorne stand.
Nicht nur ich hatte Sommer- wie auch Wintergewand dabei!
Nicht nur ich hatte viel, sehr viel dabei!
Nach dem anfänglichen leichten Zögern entwickelte sich nach und nach wieder die gewohnte Dynamik.
Es wurde relativ rasch klar, welche der Damen bei welchem Teil zuerst schreien würde, bei welcher Farbe, bei welchem Muster …
Es wurde immer wärmer im Raum, und der Prosecco drückte auf die Blase – bitte kurze Pause und Lüften!
Die, die nicht gerade am WC waren oder davor warteten oder auf der Terrasse rauchten, probierten ihre (erste) Beute an und sortierten aus.
Dann ging es weiter!
Ich war mir anfangs noch unsicher, ob ich die sommerlichen Sachen überhaupt mitnehmen soll, aber wie sich zeigte, ist der Kleidertausch wie Eis-Essen: schmeckt zu jeder Jahreszeit!
Ich hatte auch ein paar Sachen mit, die ich bislang erfolglos auf willhaben.at für einen Spottpreis angeboten habe – Schluss damit! Gut, dass die weißen Boots genau an die Person gingen, für die sie wie gemacht sind und dass die beiden Balltäschchen nun endlich einmal ausgeführt werden! Sehr gut, dass der blitzblaue glänzende Hosenanzug mit Schlangenoptik nicht mehr in meinem Kleiderschrank dahinvegetiert und der weiße Jeansrock mit Schlitz bei einer anderen lockerer am Bund sitzt! Mega gut, dass mein Koffer fast komplett leer wurde!
Und wo rief ich dieses Mal „Ich!“? Bei einem oberschenkelkurzen grauen weichen einfachen Strickkleid, das mir zu den gerade frisch geschnittenen und gefärbten Haaren sehr gut steht (heute zum Beispiel) – Danke an die Abgeberin! Ich glaube, es war Tina! Und bei einem weiten, hellen, weichen Home-Shirt, das sich gerade – frisch gewaschen – auf der Wäschespinne (ab-)hängend mit den anderen Kleidungsstücken anfreundet.
Zum Schluss nahm der Abend dann noch eine wirklich glücklich machende Wendung: Die letzte in der Runde, die ihre Tasche leerte, warf nämlich das, was keine Abnehmerin fand, nicht einfach auf den binnen drei Stunden mächtig angewachsenen Haufen an verwaister Kleidung, sondern legte diese Teile wieder fein säuberlich zusammen (Tausend Pluspunkte von mir dafür!). Sie erklärte es damit, dass diese Kleidungsstücke dann über eine Freundin nach Polen kommen, wo es viele Frauen gibt, die … nicht so verschwenderisch sein können wie wir …
Rums! Das machte uns kurz ganz verlegen und stumm, dann fast alle, wie aus einem Mund: „Bitte nimm doch auch von den Sachen, die keiner mehr will!“
Da war ich dann wieder in meinem Element: Kurzerhand zerrte ich jede Jeans aus dem Fundus, dann noch T-Shirts, Jacken und Pullover und Schals, legte alles zusammen und sortierte sie nach Art. Ein paar Damen halfen tatkräftig mit, andere verließen mit einem „Schöne Weihnachten!“ ziemlich abrupt die Party. Der große Sack war bald gestopft voll – es brauchte zwei Personen, um ihn zum Aufzug zu schleppen …
Allein dafür hat sich dieser letzte Kleidertausch im Jahr allemal gelohnt – und hat 2023 doch noch etwas Licht ins Dunkel gebracht!