Wort-o-Gräfin

Jemand, der sich zu typischen, aber auch untypischen Tageszeiten an normale, aber auch vollkommen individuelle Ort begibt, seine Augen wandern lässt und den Inbegriff eines Momentes in seinem Gehirn „be-greift“, schnappt sich ein Objektiv (Makro, Weitwinkel, wie auch immer) und fängt diesen besonderen Augen-Blick in einem Bild, einem Foto ein. Derjenige nennt sich schlicht und erhaben Fot-o-Graf.

Da mir die fotospezifischen Eigenschaften von Belichtungszeit, Blende, ISO trotz mehrmaliger mehr oder weniger geduldiger Belehrung weiterhin ein Mysterium bleiben und ich daher eher zum Automatisieren neige (und damit auf komplettes Unverständnis und enttäuschtes Gebrumme stoße), bleibe ich bei dem, was mir eher als Stärke zugeschrieben werden kann. Ich lasse meine oft wirren und konfusen Gedanken durch meine beiden Gehirnzellen tanzen (mehr intelligente Zellen traut mir Bodo nicht zu) und je nachdem, wo diese Gedanken dann in der Hirnrinde antutschen, entstehen Bilder, welche durch eine subjektive Linse gefiltert in einem weiteren Schritt in geschriebene oder gar ausgesprochene Worte gefasst werden. Anders als bei einem 120 Minuten Film, der fix und fertig gedacht, einem vor das Auge gesetzt wird und dieses eigentlich nur das weitergeben muss, was es zu erkennen glaubt, ist es mit Wörtern, die eine Geschichte, eine Anekdote, einen Witz, eine Boshaftigkeit oder was auch immer, erzählen, etwas anders. Ich gebe mein subjektiv gemaltes Bild weiter und setze damit beim Empfänger einen Wellenschlag frei, denn derjenige muss meine Worte in ein eigenes Bild übersetzen. Auch dieses subjektiv und wahrscheinlich in Teilen oder als Ganzes ein komplett anderes Bild, das wiederum aus neuen oder anders gruppierten Wörtern besteht. Und so geht es weiter, bis mein Bild immer weiter getragen wird und, wenn es wieder zu mir zurück kommt, ein ganz neues ist. Hoppla – so war das aber nicht gemeint! oder: erkenne ich dann überhaupt noch mein ursprüngliches Bild?

Was ist das Schöne am Schauen eines Thrillers, einer Liebeskomödie im Vergleich zum Lesen eines Thrillers, einer Liebeskomödie? Das eine ist bunt, laut, mit Musik hintermalt, welche die jeweilige Stimmung bereits vorappliziert, sodass man genug Zeit hat, sich einen Polster griffbereit vor die Augen zu halten, oder zum Taschentuch greifen zu können, bevor Salz und Rotz das gute Sofa ruinieren. Derjenige, der mitschaut, sieht quasi zeitgleich das Gleiche. Klar, jeder wird die gespielte Szene etwas anders empfinden (darüber kann man sich dann ja auch in eigenen Worten unterhalten), aber der Zeitfaktor, das Bild, der Ton sind ident (außer der eine muss schnell aufs Klo und verpasst den spannendsten Teil). Aber beim Lesen ist man allein; Lesen ist leise, Buntheit oder Schwarz-Weißmalerei entstehen erst. Personen, die im Buch beschrieben werden, werden im Kopf nachgezeichnet. Ich ertappe mich dann oft, dass ich der nur in Worten beschriebenen Person meistens das Gesicht und die Statur einer Person gebe, die ich in real Life oder im Fernsehen / Kino / Bildmagazin schon mal gesehen habe. Manchmal schaffe ich es aber auch, einen „Rohling“ zu nehmen und den dann mit bestimmten Gesichtszügen, Speckröllchen, dicken Titten langen Haaren oder einem muskulös-trainierten Sixpack auszustatten. Noch phantasiereicher wird es natürlich, wenn die Person in ihrer Körperlichkeit gar nicht beschrieben wird, wenn also nur die Handlungen in den Vordergrund gerückt werden. Dann wird es spannend, denn Bodo formt sich mit 100%iger Sicherheit ein komplett anderes Bild von der undefinierten, geisterhaften Gestalt. Ob das mit dem Unterschied der männlichen bzw. weiblichen Denkweise zusammenhängt, kann ich nicht sagen und nicht bestätigen. Da müsste es dann schon mehr Probanden geben. Wie oft aber wurde wir schon enttäuscht, wenn ein Buch verfilmt wurde und die Schauspieler, die sich im Casting durchsetzen konnten, so gar nicht dem entsprachen, wie ich es mir im Kopf ausgemalt hatte? Deshalb trenne ich lieber Buch von Film.

Jetzt fällt mir nichts mehr ein. Mein Bilderproduzent im Hirn braucht eine kleine Pause! … Die Wort-o-Gräfin

Wer die Schaufel in die Hand nimmt, fängt den Fish!

Bodo meint, meine Blog-Notizen seien lustig.

Ich interpretiere das so: er findet es lustig, wenn ich mich mit mehr oder weniger charmant-verdrehten Worten selbst auf die Schaufel nehme – ist doch so oder? Ich nehme mir wahrlich kaum ein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, mich bloß zu stellen, ohne aber nackt zu sein. Auch wenn das Schreiben im Web einen gewissen Grad der Anonymität erzeugt: es gibt mindestens ein Bild von mir – und anhand dieses Fotos kann sich jeder, der meine Blogs liest, ein eigenes Bild von mir machen, so, wie es ihm / ihr gefällt … ich bin ein sozusagen in Wort und Beistrich und Ausrufezeichen gepinselter Avatar, der heute als Lachfigur dasteht, morgen aber vielleicht als Jemand, der „endlich darüber schreibt!“ Treibt mich diese Erkenntnis nun in den mentalen Wahnsinn und verstumme ich von einer Sekunde auf die andere oder schwebe ich elfengleich über die Schallwellen des aufströmenden Gelächters und lasse mich auf meinem Beobachtungsposten nieder?

Ich glaube, ich will eigentlich nur, dass dem einen oder anderen beim Lesen ein kleines Schmunzeln über die Lippen kommt – ein online-Fitness-Training für die Mundmuskulatur sozusagen. Und wenn dann noch über mich getratscht wird, wird der Kiefer ebenfalls trainiert und die Zunge geschmeidig-feucht gehalten.

Es ist ja so wie bei meinen Fitness-Stunden, die ich abhalte. Nun gut, beim Yogaunterricht ist es angebracht, den Kasperl hinter dem Vorhang zu verstecken, aber auch hier versuche ich, durch bildhafte Erklärungen bzw. durch sprachliche Hoppala-Asanas ein klein wenig die Anspannung aus den Gesichtern wegzunehmen.

Beim klassischen Bauch-Beine-Po, das durch mich eine moderne, flippige Ausdrucksweise verpasst bekommt, bin ich mal strenger Oberfeldwebel, mal maulender Clown, mal sexy Biest. Wie auch immer, die Mädels (und die wenigen – älteren – Jungs) lieben es – sie müssen es lieben, sonst wäre meine Stunde nicht so gut besucht. Gestern hatte ich 43 Mädels und Damen und 2 Herren (Mann, die fühlen sich inmitten der wippenden Figuren wohl wie Adam im aufgefüllten Paradies!), die voller Power und mit viel sichtbarem Ehrgeiz all das so gut als recht mitmachten, wie ich es wollte, und vor allem dabei auch noch ihren schweißtreibenden Spaß hatten. – Der Mensch ist halt unterhaltungssüchtig!

Und ich? Ich schöpfe aus diesem entgegengebrachten Feedback enorm viel Energie. Nach einem stressigen Arbeitstag (und wenn ich stressig sage, dann meine ich es auch so … von Besprechung zu Besprechung, dazwischen Protokolle verfassen, Mails bearbeiten, Kollegen aufmuntern, hoffen, das Richtige getan zu haben, nicht verzweifeln, wenn alle Müh umsonst war, … und der Jahresvorsatz, mittags eine Runde im Park zu gehen, hatte noch keine Gelegenheit, FUSS zu fassen), ist es zwar meistens eine kleine Anstrengung, mich (das heißt Kopf und Körper) ins Studio zu schleppen, aber sobald ich im Turnzeug stecke, die Leute in den Saal strömen und ich mit Musik den Kurs eröffne, ist der Showeffekt da: alles dringt für 60 Minuten in den Hintergrund, egal, ob Müdigkeit, Hunger/Durst oder Schmerzen – Ich bin präsent. Wer das Buch Fish! kennt, weiß: präsent zu sein, ist eines der 4 wichtigen Motivationsprinzipien, um seinen Job gerne machen zu können (die anderen 3 sind übrigens: Spielen / play, den anderen Freude bereiten / make their day und deine Einstellung wählen / choose your attitude).

Man hat so immer so viel Freude, wie man sich selbst macht! Und wenn meine kleine Schar der Leser/innen hin und wieder über meine Zeilen schmunzeln kann, soll es mir nur Recht sein – ich habe Freude daran:

I make your day!

Welcher Laufschuh ist der beste im ganzen Land?

Diese Frage beschäftigt mich, nachdem mittlerweile jeder weiß, dass ich mich mal mehr / mal weniger gern dem Laufen widme, seit einiger Zeit intensiv, denn seitdem ich bei www.run21.com immer wieder Super-Sonderangebote finde, liegt es nahe, dass man den einen oder anderen Laufschuh, ohne, dass man ihn vorweg probiert hat, bestellt. Es ist verlockend, wenn ein Asics um 50% reduziert ist, und wenn er so angepriesen wird, muss er ja auch gut sein. Leider trifft das nicht auf jeden Fuß zu, sprich nicht auf meinen. Nachdem ich über den ganzen Sommer immer in meinen relativ ungedämpften Wettkampfschuhen gelaufen bin, wollte ich im Herbst und über den Wintern meinen Füßen etwas Gutes gönnen und habe mir besagten Asics in dezentem Schwarz und feurigem Orange gekauft. Super bequem, als ich in der Wohnung die ersten tänzelnden Laufhopser machte, aber dann beim ersten Auslauf die große Enttäuschung und wachsende Verzweiflung: meine Füße und die Schuhe wollten sich nicht miteinander bewegen, nein ich spürte richtiggehend das Machtgezerre da unten, 172 cm von meinem Gehirn entfernt. Was ist da nur los? Kurze Zeit später fingen auch noch die Schienbeine zu schmerzen an und die Freude an der Bewegung war dahin. Gut, dachte ich, das muss sich erst einspielen. Tat es aber nicht. Auch nach weiteren Läufen war zwischen Fuß und Schuh keine Eintracht herbeizuführen. Also habe ich wieder zu meinem Wettkampfschuh gegriffen und war echt happy, und meine Füße haben sichtlich erleichtert laut gejubelt. Auch diese von Asics, also nicht einmal, dass man sagen könnte: diese Marke ist nicht für deine Füße geeignet. Ich habe ja auch bei Saucony schon Ähnliches erlebt: da habe ich mir von einem Modell aufgrund des verlockenden Angebotes gleich zwei Paar gekauft, allerdings in unterschiedlichen Farben. Mit den bunten war ich ein Ass auf der Laufpiste, mit dem rein weißen Schuh allerdings, der sich durch neongelbe Schnürsenkel hervorzuheben versuchte, war das Laufen dagegen ein frustrierender Graus, der zu einem grauslichen Frust führte. Und ich kann nicht ergründen, warum das so ist. Anfangs dachte ich noch, dass meine Füße aufgrund der blassen Farbe streikten, aber nachdem ich mental daran gearbeitet hatte und sich keine Besserung einstellte, sind die Schuhe nunmehr im Schrank ganz hinten versteckt und ärgern sich jetzt wahrscheinlich schwarz – aber auch dann werde ich sie nicht tragen, denn je dunkler der Schuh, desto schlimmer wird es dann im Sommer, wenn der Asphalt unter den Sohlen zu brennen beginnt.

Schlussendlich bin ich jetzt bei drei Modellen gelandet, die mich frühmorgens, wenn ich schwitzend durch die Straßen fege, begleiten dürfen: es sind zwei unterschiedliche Wettkampfschuhe von Saucony bzw. Asics und ein neutrales Paar für sozusagen normales Training, auch von Saucony in knalligem Pink. Und ich weiß nun auch, dass ich sie in Größe 42,5 bestellen muss, will ich verhindern, dass sich die Fußnägel in regelmäßigen Abständen von den Zehen lösen und ihrer eigenen Wege gehen.

Für nicht so Laufinteressierte mag das jetzt wahrscheinlich etwas überzeichnet klingen: nimm doch irgendeinen Laufschuh und lauf einfach. Ganz so ist es halt doch nicht: ich will mich doch einigermaßen wohl fühlen, wenn ich meinen Puls in die Höhe treibe. Außerdem ist das bei mir auch so eine mentale Sache: wenn ich das Gefühl habe, dass mich ein Laufschuh blockiert, bin ich auch im Kopf blockiert. Ich bin weit davon entfernt, beim Laufen den eleganten Schritt einer Gazelle nur annähernd nachahmen zu können (böse Zungen behaupten ja, dass ich mich eher wie eines dieser dunkelgrauen Dickhäuter bewege), aber nachdem das Laufen für mich so wichtig ist (und ein weiterer Marathon bereits in der pipeline lauert), muss ich mich, wenn ich samstags um 6 Uhr aufstehe und 180 Minuten laufe, auch einigermaßen wohl fühlen. Das beginnt unten beim Schuh, geht über die Hose hinauf und endet oben beim Oberteil. Vielleicht erklärt das mein großes Storage an Laufbekleidung?

Nr5 und ihre Freundinnen

Ich habe das arge Gefühl, dass aufgrund des warmen Wetters alle bereits aus dem Winterschlaf erwacht sind und sich voll in die Arbeit stürzen. Ich habe jedenfalls mit dem Einlangen der Heiligen Drei Könige kaum Zeit für Zwischenatmungen und kaum Zeit, meine Gedanken in geordnete Fassungen zu bringen. Heute drückt der Nebel so stark auf die Augenlider, dass ich mich durch lautes Hämmern auf die Tasten wach zu halten versuche. Meine Gedanken in den Griff zu bekommen, ist auch nicht so einfach, denn die schwirren durch meinen Kopf und lassen sich nur mit viel Geduld einfangen. Also step by step oder passo dopo passo, wie ein schwungvoller Italiener zuraunen würde.

Ein neues Jahr hat begonnen, und mein Parfum geht dem Ende zu, was bedeutet, dass ich mich aus olfaktorischen Gründen mit dem Thema auseinandersetzen muss. Ich bin ja nicht der Typ, der sich einmal auf eine Duftnote eingeschworen hat, und ich bin absolut kein Chanel Nr.5-Typ, sondern ich gehöre zu eher denjenigen, die immer wieder mal einen anderen Duftbegleiter auswählen – ich bin sozusagen eine untreue Olfantin. Klar, ich habe ein, zwei Parfums (derzeit von Diesel), die ich quasi als backup vorhalte, für den Fall, dass meine Nase sich weigern sollte, einen neuen Duft an die Schleimhäute zu lassen. Also schleppe ich eines Samstags Bodo mit zur Müller Drogerie, greife mir einen Stapel Duftblättchen und orientiere mich in erster Linie an Designer, die ich schon mal kennen gelernt habe. Leider gibt es hier keine Hinweise auf „orientalisch“, „blumig“, „frisch“, sodass ich etwas wahllos aus dem Testflakon ein paar Spritzer in die Gegend sprühe und selten genug den weißen Streifen teste. Was frau nie machen sollte, ist, nach einem ausgedehnten Morgenlauf und ohne Frühstück im Magen die Nase zu strapazieren, denn der Alkohol in den einzelnen Parfums steigt mit einer steilen Gerade direkt ins Hirn und die unterschiedlichen Duftrichtungen legen sich bedenklich schief auf den Magen. Mir vergeht jedenfalls ziemlich rasch der Spaß am Schnuppern. Außerdem schwant mir, dass ich ziemlich blöd war, mich nicht im Dezember mit Nr.5, Cool Water, Sí, CK One, Opium, Hugo Femme, und wie die Düfte alle heißen mögen, zu beschäftigen, weil jetzt, im faden Jänner, sind alle preislich attraktiven Angebote mit dem Zauber der Weihnachtsbeleuchtung ausgelöscht, verpufft und einer schmerzhaften Realität gewichen. Kein Flakon wandert über den Scanner. Schwindlig verlasse ich diesen Ort künstlich erhellter Schönheit und muss was essen.

Aber ich will mich nicht geschlagen geben und wage am späten Nachmittag einen zweiten Versuch, denn es muss ein neuer Flakon ins Haus! Ich hoffe, das Überwachungsvideo wurde bereits gelöscht, denn es muss ziemlich peinlich ausgesehen haben, wie ich vor dem langen Ausstellungsregal stehe, hin und her tappe, wieder mit den weißen Streifen in der Hand und mich durch neue und bekannte Düfte durchschnuppere. Ich werde immer wieder zu Moschino hingezogen, einer Marke, die mich bislang so gar nicht berührt hat. Doch die Flakons stechen aus der Menge hervor, verspielt, witzig, fast ein wenig sexistisch. Ich schwanke schlussendlich zwischen zwei Düften: Funny oder Love? Funny besticht durch einen schlichten eckigen Flakon mit einem silbrigen Herzen. Love dagegen präsentiert sich in einem zylindrischen Turm mit einer kugelförmigen orangen Plastikkappe – zugegebenermaßen erinnert das schon ein wenig an – naja, an das beste Stück des Mannes. Das bringt mich zu einer weiteren Frage: die Entstehung eines neuen Duftes ist mit viel Experimentieren und Testen und großen Nasen verbunden. Und der Flakon ist eigentlich nur die Verpackung, das Gefäß, das den Duft einfängt und in kleinen Dosen mit sanftem Fingerdruck in die Atmosphäre entlässt. Warum aber wird so viel Kreativität in das Design eines 50ml kleinen Gefäßes gesteckt? Wird damit der satte Preis gerechtfertigt, der eine Frau regelrecht dazu zwingt, sparsam mit dem kostbaren Inhalt umzugehen? (Zum Glück mindert mein Geburtstagsrabatt – manchmal zahlen sich Bonus-Card doch aus – den Designpreis ein wenig.) Oder ist das auch Mode? Fast wäre ich jetzt dazu verleitet, mir in Zukunft alle Flakons meiner Düfte, aufzuheben. Aber nachdem ich keine Sammlerin bin (ausgenommen davon sind Schuhe) und ich nicht wüsste, wohin mit den leeren Glasfläschchen, werde ich dieses Hobby wohl gleich im Keim ersticken und dafür lieber eine frische Brise Duft inhalieren.

 

Ich habe mich für „Love“ entschieden.

Der Auftragsshopper

Einmal im Jahr, darf ich – darf ich ins Outlet in der Nähe vom Neusiedlersee angesiedelt. Einmal deshalb, weil mein „Bodyguard“ nur einmal im Jahr die Geduld aufbringt, mich an den Tatort „bis -70%“ zu begleiten. Dafür suche ich mir meistens ein sehr passendes Datum aus. Nein, nicht das Late-Night-Shopping-Date, da hier schon um 9 in der Früh alle Lichter ausgehen und die Bankomat-/Kreditkarten zu schwitzen beginnen. Nein, ich habe dieses Mal einen Freitag ausgewählt, DEN Freitag, besser gesagt: zum Monatsbeginn, zwischen den Weihnachts-/Neujahrsfeiertagen und zur Winter-Sale-Saison  – Yippieh! Wir fahren gegen 14 Uhr beim Gewerbepark Parndorf ab und erkennen schon von weitem, dass es spannend werden wird, weil dieser spezielle Freitag auch viele andere aus nah und fern und jenseits der Grenzen hierher gelockt hat. Bodo verdreht die Augen. Mir wird heiß im Gesicht, weil ab jetzt heißt es aufpassen, im Seniorenschritttempo fahren, sich in Geduld üben und die Augen offen halten, um eine Parklücke zu ergattern. Es tun sich kriminalistische Szenarien auf, Menschenkarawanen, die unkontrolliert zwischen den Autos hervoreilen, aufgeregte Gesichter, wenn das eigene Auto von anderen zugeparkt wurde und der Abschleppdienst eigentlich keine Chance hat, durchzukommen, um den Übeltäter zu bestrafen. Ich bin daher mehr als überrascht und halte es für einen Scherz, als ich plötzlich eine freie Parklücke entdecke, in die ich den Smart sehr schnell hineinmanövriere. Ich bin echt perplex, noch dazu, weil wir relativ zentral vor und zwischen den Schnäppchen-Fallen parken – regulär und ohne Gefahr des Zugeparktwerdens.

Los geht´s – im Uhrzeigersinn. Nach den ersten paar Metern bereue ich bereits, den „Darf-Bonus“ heute abgerufen zu haben. Frauen, Männer, Kinder und leider auch Hunde schieben sich durch die Arkaden dieses Centers oder werden geschoben. Zahlreiche der Markenshops interessieren mich gar nicht. Bodo folgt entgeistert meinen Schritten. Mein Angebot, zwischenzeitlich zum Fotografieren an den See zu fahren, ignoriert er aber – er ist schon ein kleiner, lieber und neugieriger Masochist! Vor Boss und Ralph Lauren stehen Menschenschlangen an. Die Jungs von der Security bestimmen, wann wieder wie viele mögliche Kunden ins Kaufparadies eingelassen werden. – Irgendwie komplett verrückt. Also nix mit Boss, dafür dann Diesel, wo ich endlich und komplett unverhofft einen schlichten, aber kleidsamen schwarzen BH finde (gestern habe ich leider im Radio gehört, dass Diesel zu den ausbeuterischen Arbeitgebern gehört, die zu geizig sind, den Näherinnen ein bisschen mehr Lohn zu bezahlen. Das heißt, dass ich ab sofort Diesel sein lassen werden muss ;-(). Beim Prada-Outlet ist nichts los, aber ich muss auch sagen, dass ich hier nichts gefunden hätte, was ich in meinem Kleiderschrank unterbringen hätte wollen. Auch beim Karli Lagerfeld sind die Beute-Bags interessanter als die Shirts in XL (denn andere Größen gibt es hier nicht – eigentlich eigenartig, wo Karli doch nur für magersüchtige Bohnenstangen schneidert?). Absolut geil, aber leider auch nicht in meiner Größe erhältlich, wären die Gummistiefel angehauchten Boots mit Holz-Klotz-Absatz und Lederschaft von Cubanas gewesen, weil absolut gut runtergesetzt. Nein! Hände weg von Größe 40 – da passen deine Füße nicht hinein! Schmollend verlasse ich d´Ambrosio.

Als die erste Glut ein wenig abgeflaut ist, und sich Bodo vom Schock erholt hat, dass auch die ärmellose Outdoor-Stepp-Weste von Superdry in XXL (!) zu schmal um die Brust geschnitten ist (Superdry schneidert wohl nur für androgyne Japan-Boys), richte ich meine Augen auch auf all die anderen Kauflustigen – bei einigen mag die Lust wahrlich schon vergangen sein – kein Wunder: anhand der Autokennzeichen ist anzunehmen, dass viele schon seit den frühen Morgenstunden auf sind, eine lange Fahrt hinter sich haben und jetzt am Nachmittag gerechterweise erste und üppige Erschöpfungserscheinungen haben. Im gesamten Outlet gibt es unserer Meinung nach auch viel zu wenig Gastronomie und Plätze, um sich ein bisschen zu erholen. Aber wahrscheinlich ist das auch so gewollt: Groß-Kampf-Shopping ist angesagt – Erholung gibt es erst, wenn der Kofferraum voll und die Kreditkarte überzogen ist! Es dürften auch Auftrags-Shopper unterwegs sein, die für eine bestimmte Kundschaft einkaufen. Einen Mann sehe ich zum Beispiel, der an die 10 Säcke von Boss neben sich stehen hat. Zum einen dürfte er einer der Glücklichen gewesen sein, die von der Security reingelassen wurden und andererseits dürfte er wahllos oder gezielt (?) fündig geworden sein. Handelt es sich hier um einen Kaufagenten, der in seiner Heimat die Sachen weiter verhökert? Ähnlich wie bei willhabenat oder am Flohmarkt: auch dort treiben sich ja die Schnäppchen-Jäger herum, die gierig sind auf alles, was sie selbst dann mit Gewinn weiter verkaufen. Ist das legal?

Als wir am späteren Nachmittag vor Boss nur mehr eine kleine Schlange vorfinden und bereits nach wenigen Minuten des Wartens auch eingelassen werden, frage ich mich allerdings, womit dieser Auftrags-Shopper  fündig geworden ist. In der Damenabteilung gibt es rein nichts, was meine Augen zum Leuchten und meinen Herzschlag zum Pulsieren bringt. Bei den Herren sieht es schon ein wenig anders aus, denn wenn man einen halbwegs schicken Anzug braucht, ist man(n) hier sicher gut & günstig bedient. Bodo hat hier allerdings auch wieder Pech, denn die wirklich schicken Jacketts sind nicht in seiner Größe verfügbar. Und die tweedige Winterjacke bei Strellson eignet sich nur für sibirische Minusgrade, aber nicht für unser derzeitiges hochgradiges Plus-Wetter. Rein durch Zufall mache ich noch einen Sprung zu Calvin Klein, eine Marke, die mich eigentlich bislang kalt gelassen hat. Aber wahrscheinlich bin ich vom vielen Schauen und Schlendern schon so mürbe in der Birne, dass ich mich in dem kleinen, schmalen Shop umschaue. Und siehe da – das Schnuppern führt zur Beute! Der graumelierte locker geschnittene Wintermantel ist zwar eindeutig mehrere Nummern zu groß (würde vielleicht Bodo passen?), aber dann entdecke ich ein Modell ärmelloses Strickkleid, hinten glatt, vorne gerippt. Das Erstaunliche ist, dass es wie angegossen sitzt und meine vorhandenen Kurven elegant zur Geltung bringt. Die Qual der Wahl aber: das Kupferrot-Orange oder das Dunkel-Schwarze? Oder beide gar? Ich werde schwach, denn das Preisschild gaukelt mir gekonnt vor: Mädel, das sind richtige Schnäppchen! Der Retail-Preis jenseits von Gut und Böse. Der Outlet-Preis auch noch üppig. Aber wenn davon dann auch nochmal die Hälfte abgezogen wird, zuckt es in den Fingern und ich sage Ja zu beiden: das Rot-Orange fällt genau in meine persönliche Farbpalette und wenn Schwarz eine gute Figur macht, ist es vielseitig einsetzbar. Die Shopping-Bags von Calvin Klein sind anonym weiß ohne Beschriftung.

Es ist mittlerweile dunkel geworden. Die Kaufwut rundherum ist einer gewissen Ruhe gewichen. Jetzt sind anscheinend nur mehr die Experten unterwegs, die wissen, dass es abends nicht mehr so überfüllt ist – gut zu merken, aber andererseits sind zu späterer Stunde vielleicht die guten Stücke schon weg?

Was habe ich vielleicht verpasst, was mir so gar nicht abgeht? Würde ich mich als Auftragsshopper eignen? Dabei meine ich jetzt nicht den „gewerblichen Jäger“ sondern jemand, der für Familie und Freunde was besorgen soll, frei nach dem Motto: meine Schwester braucht ein Business-Kostümchen. Absolut nein, denn ich bin der festen Überzeugung, dass man anprobieren, vor dem Spiegel posieren, die Arme heben und die Beine beugen muss, um bewerten zu können, es passt oder es passt nicht. Vor allem, wenn man nicht umtauschen kann. Das ist ja das große Risiko bei Sale und Outlet: vom Umtausch ausgeschlossen! Entweder du bist ehrlich zu dir selbst oder du bist der Dumme und hast wieder einmal Lehrgeld bezahlt.

Meine Wahl war jedenfalls kritisch und gut – und hat auch den Beifall meines „Bodyguards“ erhalten . Die beiden Strickkleider haben die erste Bewährungsprobe bereits erfolgreich absolviert. Für den ganz persönlichen Stil – und damit es nicht zu seriös und klassisch wirkt (denn das bin ich nun mal nicht), habe ich gestern noch bunte und gemusterte Strümpfe besorgt (auch im Sale nebstbei bemerkt) und werde mit meinem vorhandenen Schuhwerk entsprechend experimentieren, damit jeder weiß: das ist die Lucia!

Poesie der Farben

Ich habe ja vor kurzem über meine Seelenverwandtschaft zu Erdmännchen geschrieben. Heute geht es einen zügig gesetzten Schritt weiter. Inspiriert von adverbalisierten Farbtönen wurde ich von einer mir unbekannten Muse gekitzelt und versuche die Farbplatte meines Traumes nach einem perfekten Style in Poesie zu transformieren:

Die Wärme des Körper umschmeichelnden Textils wird durch kräftiges Curry bis in jede einzelne Pore gezogen. Mit einem Hauch Coolness bleibt die zarte Haut vor Verbrennungen geschützt.

Mit einem geilen Grünton am Oberkörper beginnt die Wiese um dich zu schweben und es tun sich neue Hügelformationen auf.

Orange wird nur in seiner saftigen Form zaghaft eingesetzt. Alles, was an knautschige Dellen erinnern könnte, wird aus dem Blickfeld verbannt.

Schlammpackungen verpassen nicht nur dem Teint einen seidig-matten Glanz. In Baumwolle getunkt verschmilzt man je nach Intensität mit dem urbanen Pflaster unter dem plateaugestärkten Trittwerk.

Mit einem beherzten Braun bekommt jede Figur die Schlanknesse eines aufrecht gewachsenen Baumes im Dunst eines noch müden Morgennebels.

Vereinzelt als kurzweilige Leihgabe wird auch die gesamte Palette des Bogens am Himmelfirmament nach einem lauschigen Sommerregen in das Gewebe reingetupft, um dem täglich wechselnden Biorhythmus den entscheidenden Impuls zu geben, sich weiter zu bewegen.

Zu guter Letzt dürfen auch abgestufte Nuancen von unschuldiger Reinheit bzw. verdammter Dunkelheit in das tägliche und nächtliche Gebinde eingewoben werden, um die individuelle Silhouette von jedem Hintergrund deutlich abzuheben.

Welch Geschenk ist es, Farben erkennen und sehen zu können!

Welch Geschenk ist es, in Farben wühlen zu können. Unendlich viele Abstufungen, unendlich viele Kombinationen sind möglich, beeinflussen unsere Stimmungen, unser (soziales) Verhalten.

Beachtet aber die richtige Feinabstufung, damit die Poesie der Farben – wie cooles Curry, geiles Grün, knautschiges Orange, glanmattes Schlammgrau, Braun mit Herz etc etc – erhalten bleibt!

Nur 1 Jahreszeit

Es gibt keinen Winter, keinen Frühling, keinen Sommer und keinen Herbst mehr!

Es gibt eigentlich nur mehr eine Jahreszeit, unabhängig davon, wieviel Grad es im Freien hat, unabhängig davon, wie viele Stunden pro Tag die Sonne ihr Licht spendet.

Es hat jetzt nichts mit der globalen Erd-Veränderung zu tun – ich wähle diese Bezeichnung, weil ja nicht jedes Wissenschaftsportal gleichermaßen von einer Erwärmung spricht. Die knapp 100 Passagiere, die gerade vom festgefrorenen Schiff per Helikopter entführt werden – klar, das Bier ist seit wenigen Stunden aus! -, haben mit Sicherheit eher den Eindruck, dass Ice Age ein wahr gewordener Traum ist und nicht nur mein absoluter Animationsfilm-Favorit, aus dem gewisse Textpassagen zu meinem spärlichen Zitate-Pool gehören.

Es hat vielmehr damit zu tun, dass nicht erst am 27.12. die „SALE-Jahreszeit“ beginnt, sondern diese zu hysterischen Anfällen mutierende Phase schon weit vor dem Weihnachtssong beduselnden Shopping beginnt. Und wenn man genauer hinschaut, geht dieses After-X-Mas Prozente-Erschlagen, von dem so mancher mit Liebe oder in letzter Sekunde geschenkte Gutschein ausgenommen ist, ins Faschings-Special über, gefolgt von den Ostereier-Schnäppchen. Und der im Mai (!) beginnende Sommer-Schlussverkauf-Sale geht direkt in die Hitze-Mid-Time-Schnäppchenjagd über, gefolgt vom „Fall-Price“, Advent-Sale – und dann hat sich der Kreislauf schon wieder geschlossen – und ein weiteres Jahr ist vorbei. Ein weiteres Jahr, indem man beherzt in tiefe Wühlkisten greift und sich vor beengten Umkleidegarderoben geduldet, bis man (frau) dann endlich und am Rande eines Nervenzusammenbruchs endlich miese Qualität und noch wildere Styling-Auswüchse an seinen Body ran lässt.

Es ist bewiesene Tatsache, dass die Boutiquen eigene Ausverkaufsware aus dem Lager herzerren, die mit der „regulären“ Ware (gibt es jetzt eine solche überhaupt noch?) nichts mehr zu tun haben. Nur vereinzelt findet man etwas, was aus der Saison xy ist und auch gefallen würde – nur blöd, dass dann die Konfektionsgröße nicht stimmt – also doch zu spät hingelangt? Im nächsten Leben oder im zweiten Bildungsweg werde ich Sale-Mode-Designerin, das verspreche ich!

Sale-Shopping artet in Stress aus! Wahrscheinlich übertreibe ich jetzt wahnsinnig, aber ich empfinde derzeit das Einkaufen als solches. Auch online wird man zu Schnäppchen hingezogen und kann sich durch 80 Seiten Designer-Sale durchklicken. Aber was bleibt tatsächlich übrig, außer einem Krampf im Finger und einem starren Auge?

Wenn Kleidung um 30%, um 50%, um 70% reduziert werden kann, warum muss sie in der ersten Schaufenster-Darbietung dann so teuer sein? Wird man da nicht von Anfang an gefrozzelt und zum Narren gehalten? Ist frau die Blöde, wenn sie schon beim Auspacken neuer Ware tief in die Geldbörse greift und die Kreditkarte strapaziert? Das Problem liegt darin, dass frau selten Geduld hat und noch weniger den Edelmut, einer anderen das gute Stück der momentanen Begierde zu gönnen. Wir Frauen sind von Gier, Neid, Raffsucht getrieben, wenn es um Bekleidung geht. Und wenn es um Ausverkaufsware geht, werden wir zu brutalen Wühlmäusen und Schnappmäulern.

Aber: auch ich bin „frau“ und kann mich dem Drang nicht entziehen … deshalb muss ich jetzt auch Schluss machen – es könnte ja irgendwo das ultimative Schnäppchen auf MICH warten! … es ruft schon nach mir ….