Ich habe jüngst über Befreiung geschrieben – und es ist wahr geworden: zwei riesengroße und zwei kleinere Säcke haben am vergangenen Freitag den Besitzer gewechselt.
Und nun? Nun stehe ich jeden Morgen vor dem Dilemma, dass ich aus den verbleibenden (noch immer mehr als zahlreichen) Kleidungsstücken nicht weiß, was ich anziehen soll – die ewige Leier 🙁
Leide ich unter aprilhaften Stimmungsschwankungen?
Haben sich meine Augen an den alten Stoffen und Farben satt gesehen?
Wie auch immer – irgend etwas muss geschehen!
Online-Shopping gestaltet sich derzeit als nicht sehr zielführend, da ermüdend – scrollen, klicken, zoomen … gähn!
Klassisches City-Shopping? Der vergangene verregnete Samstag wäre dazu wohl ideal gewesen, weil frau kein schlechtes Gewissen hat, dass sie nicht etwas anderes im herrlichen Frühling unternimmt. Ich war auch shoppen. Aber es gibt den Konsum aus Gründen der Notwendigkeit und den Konsum aus Gier, Neid, Leidenschaft, Unzufriedenheit heraus. Ersteres habe ich vernünftigerweise erledigt, zu zweiterem hatte ich schlichtweg keine Nerven.
Alternativ bietet sich an, in einem Schanigarten zu sitzen – und möglichst unauffällig die Augen auf Beobachtungszielfunk einzustellen. Frau bekommt da viel zu sehen – viel und doch wieder nicht, denn es zeigt sich doch eine gewisse Uniformität innerhalb bestimmter Altersklassen:
Jeans, T-Shirt, Strickjackerl oder Lederjacke, Beuteltasche, Ballerina oder Sneaker, große Sonnenbrille – steht so ziemlich jeder Frau, weshalb auch am weitesten verbreitet auf dem größten Catwalk der Welt, der Straße.
Shorts von Hot bis Demi, mit und ohne Strumpfhosen, Boots oder Stiefel (nach wie vor), übergroße Hängershirts – steht bei weitem nicht so vielen Mädels & jungen Frauen, wie im Alltag zu sehen. Bodo beutelt sich regelmäßig, wenn er der Kombi enge Stoff-Bermuda zu dicken Strümpfen und Stiefeletten ansichtig wird.
Kleider sind im April noch Mangelware, schon eher Kostüme oder Hosenanzüge, diese dann an eiligen Damen mit großer Handtasche und meistens einer Laptoptasche zu entdecken. Dass hier auch knallgelbe Peinlichkeiten zu Leo-Pumps ins Auge fallen, muss man halt zur Kenntnis nehmen.
Auffällig aber, dass der April von manchen als verlängerter Winter gesehen wird und dass daher Parka, Hauben, Stiefel, Strümpfe und anderes wärmendes Zeug um den Body geworfen wird. Dass bei angenehmen 15-22 °C aber durchaus die Füße luftbelassen sein können und die Ärmel kurz, das dauert. Woran das liegt, kann ich sagen: die meisten genieren sich für ihre kasig-weißen (oder unrasierten?) Beine, die Zehennägel sind noch nicht lackiert und der Bingo-Muskel (M. tricepius) ist über die Wintermonate schlaff geworden. Ob da Versteck-Spiel die richtige Methode ist, den Sommer modisch zu begrüßen?
Meine Erkenntnisse der letzten Beobachtungstouren sind – für mich bezogen – leider dürr, denn ich habe keinerlei Anregungen erhascht, die meine Motivation vor dem Schrank etwas pushen würden. Also habe ich mich heute zu schlichtem Schwarz aufgerafft und bringe nur bei Gürtel und Schuhwerk halbwegs knallige Farbe ins Spiel.
Aber was ziehe ich nur morgen an?
Meine jüngere Schwester wird in ca. 2 Monaten eine neue Wohnung beziehen.
Meine beste Freundin arbeitet heftigst daran, eine neue Wohnung zu finden, da die Kinder flügge geworden sind und sie das Bedürfnis nach einer wohnlichen Veränderung hat.
Beiden gemeinsam ist, dass sie begonnen haben, sich von Dingen, vor allem von nicht mehr getragener Kleidung, großvolumig zu trennen. Klar, was du jetzt weg gibst, musst du dann nicht einpacken, umsiedeln, auspacken und dann wegschmeißen.
Bei mir steht zwar keine räumliche Veränderung vor der Türe – aus Ermangelung an Angeboten, finanziellen Mitteln und zeitlichen Ressourcen -, aber ich habe heute Morgen – J. und U. als Vorbild genommen – wieder einmal kräftig meinen Kleiderschrank umgerührt und ohne großen Trennungsschmerz diverse Stücke herausgezogen, die schon seit längerem nicht mehr meine Körperformen umhüllen durften. Eins, zwei, drei und mehr – und ein gut hüfthoher Stoß wartet jetzt auf eine Abnehmerin.
Im nächsten Schritt werden sich noch ein paar Schuhpaare dazu gesellen, die eine oder andere Handtasche, das eine oder andere Accessoire und eine dicke Winterjacke kann auch ruhigen Gewissens weg … endlich wieder Luft!
Meine Schwester hat übrigens einen sehr guten Tipp bekommen: lass die Kleiderbügel deiner Lieblingsstücke in die eine Richtung schauen, und diejenigen von Sachen, die du nur sporadisch bis gar nicht anziehst, in die andere Richtung. So ist es leicht, mit einem Griff das zu packen, was weg muss – ganz schön clever – aber fast nicht durchführbar für den Monk in mir.
Ich kann nur jedem raten, in regelmäßigen Abschnitten, aber zumindest einmal pro Jahr, sich zu lösen, zu trennen, zu befreien – man fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes be-freit. Die Freude wird zwar etwas geschmälert durch die Scham über so viel (wertlosen) Besitz, aber solange die Weggeb-Stücke jemandem anderen zugute kommen, ist es (für mich) ok.
Durch das regelmäßige Ausmisten alter Kaufsünden hat sich gefühlterweise mein generelles Kaufverhalten leicht – ich maße mir nicht an, von komplett geändert: die wahllose Gier ist einer flüchtigen Besonnenheit gewichen. Das Eselsohr im Katalog, die geduldige Merkliste, der Warenkorb helfen mir persönlich sehr, dass ich mehrmals drüber nachdenke, mit welchen Teilen ich die (kaum merklichen) Löcher im Kleider- oder Schuhschrank wieder auffülle. Wo ich noch an mir arbeiten muss, sind Outlet-Besuche, denn da neige ich noch zu unbesonnener „Schnäppchen-Hamsterei“. Aber: auch billig ist rausgeschmissenes Geld!