Platz schaffen!

Der Kleiderschrank einer Frau – die unendlichen Weiten eines immer ungenügenden Volumens! Da wird gestapelt, gelegt, übereinander aufgehängt und in die letzte aller Fugen hineingestopft, um doch noch ein Plätzchen für einen neuen Liebling auf Zeit zu schaffen. Der verzweifelte Blick in der Früh – „Was soll ich heute nur anziehen?!“ – wird vom Mann an der Seite trocken kommentiert: „Kein Wunder, vor lauter Viel siehst du das Eine nicht!“ – gggrrrrrups: da ist leider ein Körnchen Wahrheit drin (aber nie und nimmer gebe ich zu, dass ER hier mal Recht hat!). Gegen Saisonende wird es für uns Frauen dann noch schlimmer, denn sind wir die Winterklamotten, die wir seit nunmehr gut einem halben Jahr tragen, nicht so was von überdrüssig? Ich habe das Gefühl, dass ich immer gleich gekleidet bin (nun ja, bei mehr als 3 schwarzen Kleidern kein Wunder). Schuhwerk hatte ich diese Wintersaison eigentlich auch nur 2 Favoriten, weil bequem mit grober Plateausohle – einfach optimal für Office und urbane Herumlauferei.

Jetzt aber – jetzt ist März und irgendwann wird sich die kalte Jahreszeit endgültig verabschiedet haben – Zeit, um Gewand-Bilanz zu ziehen: was trage ich? was trage ich noch mal vielleicht? was trage ich mit Sicherheit nicht mehr?

Ein Wochenende mit Regen und sichtbarer Staub im Schrank sind da schon die optimalen Voraussetzungen, sich mit dem Thema „einen sauberen Platz schaffen“ zu beschäftigen! Eine Freundin von mir ist teils Abnehmerin, teils Weitervermittlung für gut erhaltene Kleidungsstücke – sozusagen eine minimierte Swapperei mit Einbahn und Anreiz genug, sich über Kleiderstange und Regale herzumachen.

Ich war gut drauf am letzten Samstag – und habe radikalst (!!) aussortiert … weg, weg, weg mit Dir! Schnell war der Stapel verabschiedeter Kleider, T-Shirts, Jacken … ein sehr hoher – wieviel passt in einen grooooßen Koffer hinein? (Beinahe musste ich die Shoppingfalte aktivieren, um alles unterbringen zu können. Geschafft! Meine Freundin hat eine große Freude, und ich hoffe, die unbekannten neuen Besitzerinnen auch! Und ich? freue mich auf zweierlei Arten: zum einen natürlich, dass ich anderen etwas abgeben kann – das ist mein soziales Ich -, zum anderen, dass ich jetzt wieder Luft für Neues habe – das ist dann leider mein egoistisches Ich. Ich darf nun quasi mit „gutem Gewissen“ ein bisschen im Internet stöbern oder mich auf die Einkaufsstraßen wagen (nächste Woche bin ich in Hamburg!!!).

Bis ich dort dann allerdings fündig werde, stehe ich morgens weiterhin ratlos vor dem Schrank – und ziehe dann doch wieder eines meiner schwarzen Kleider an (von denen trenne ich mich nicht!) – allerdings habe ich gestern das Schuhwerk von Winter auf Übergangszeit geändert – schließlich muss ich ja die neuen Schnürschuhe testen!

S-M-L und das X

Das „X“ ist nicht nur in Verbindung mit den Chromosomen wichtig, sondern in der Modewelt geradezu ein dominierender Faktor geworden!

Es ist noch nicht allzu lange her, da hat frau sich mit 36-38-40-42-44 zufrieden gegeben. Und es gab noch die eine oder andere Boutique-Besitzerin, die mit geschultem Auge ziemlich zielsicher die Konfektionsgröße ihrer Kundin einschätzen konnte. Und wer kennt nicht die Szene aus „Verlockende Falle“ … Sean Connery gibt seiner rechten Hand den Auftrag, für Catherine Zeta Jones ein Abendkleid zu besorgen – dazu die Aussage – eines Mannes: „… in Größe 38, aber in Größe 36 kommt ihre Figur sicher noch besser zur Geltung!“ (Unausgesprochen blieb, dass dies für die Trägerin einen atemlosen Abend bedeuten musste.)

Mittlerweile ist die Fähigkeit des Kennerblickes leider vor dem Aussterben bedroht bzw. wird dieses über Jahre angelernte Wissen nicht mehr an die nächste Generation weiter gegeben – wozu auch?

Mode ist international. Wie lautet doch gleich die Umrechnung von italienischen Damengrößen auf deutsche Verhältnisse? Deutsch 38 = Italienisch 44, also plus 6 – und in Frankreich schaut es dann schon wieder anders aus!

Der weibliche Körper hat sich emanzipiert und lässt sich nicht mehr so ohne weiteres in eine Größe hineinpressen (siehe „Verlockende Falle“).

Segen oder Fluch?, als sich Small – Medium – Large leise eingeschlichen und schlussendlich durchgesetzt haben? Mit Small liegt frau nunmehr zwischen (dt.) 36 und 38, mit Medium zwischen (dt.) 38 und 40. Das heißt mit einem Wort, dass frau Klamotten sowohl nach den vielen Weihnachtsnaschereien als auch in der Fastenzeit findet, ohne sich von gleich „S“ oder „M“ verabschieden zu müssen.

Aber leider gibt es dann noch die nicht unbeträchtliche Anzahl von weiblichen Figuren, die sich außerhalb des S-M-L-Schemas fesch und attraktiv kleiden möchten und müssen. Nur wie abtötend klingen denn Minus-Small bzw. Large-Plus? Also hat ein schlauer Kopf zum unverfänglichen „X“ gegriffen. Dieser Buchstabe ganz hinten im Alphabet, der bislang in unserer Sprache ein mehr oder weniger einsames Leben geführt hat, bekommt nunmehr einen Stellenwert, der ins Extreme geht – im wahrsten Sinne des Wortes. Bist du extrem dünn und schmal, wird für dich einfach in „XS“ geschneidert, bist du dann irgendwann dem „L“ entwachsen, bekommt dein neues T-Shirt oder die neue Hose einfach ein, zwei, drei, …(?) „X“ als Attribut vorangestellt – und die Welt ist wieder in Ordnung … oder doch nicht?

Ich bin ja der S/M-Typ, oben rum mehr Small, ab der Hüfte dann eher ins Medium abrutschend. Jetzt ist es aber leider so, dass es für S-M-L keine einheitlichen Schnittbögen gibt, sondern dass sich die Designer doch stark an der durchschnittlichen Statur ihrer Herkunftsnation orientieren. Und das führt dazu, dass ein spanisches Mango-Medium und ein niederländisches Adidas-Small ohne Stoffverlust übereinandergelegt werden können.

Wieder nichts mit Vereinheitlichung; und die Aufregung beim Klamottenwühlen geht weiter!

Bei mir kommt „L“ jedenfalls gar nicht in Frage, dann lieber ohne androgynes G-Star-Teil im Kleiderschrank!

Doch eines macht mich jetzt schon sehr nachdenklich: Ich hatte vor kurzem bei einem Wochenendtrip in meine Heimat aus welchen Gründen auch immer – war es das Unterbewusstsein? – keine Lauftight eingepackt. Macht ja nichts: rein ins nächste Laufgeschäft – die Frühlingsmode in erfrischendem Azurblau und Limonengelb lockt die Sportlerin so wie die Blume die Bienen an. Die Verlockung dürfte jedenfalls so groß gewesen sein, dass mein erwähltes Teil nur mehr in „XS“ bzw. „L“ vorrätig war. Wie gesagt: „L“ ist ein NoGo für mich und wäre eindeutig zu groß gewesen (ich hasse Laufhosen, die die Tendenz zum Rutschen haben!). Das „XS“ sah mir auf den ersten Blick gar nicht mal so bohnenstangig aus. Doch ganz ehrlich: meine Oberschenkel stehen eindeutig für „M“, wie muskulös und nicht für „extrem schlank“. Mit Skepsis und ein wenig Hoffnung verschwand ich trotzdem in der Kabine, um mit möglichst viel Grazie und möglichst wenig Mühe, diese Tight über meine Waden und Schenkel hinauf zu ziehen – und siehe da: schon war ich drin, knackig zwar, aber nicht unbequem und auch ohne Angst, bei einem größeren Sprung plötzlich „im Freien“ zu stehen. Dass die Verkäuferin in Jubelschreie ausbrach, ist selbstredend – welche Verkäuferin zeigt noch einen Funken taktvolle Ehrlichkeit? Dass auch Bodo wohlwollend ein bejahendes Nicken von sich gab, hat mich dann bei der Kaufentscheidung unterstützt.

Nur: verstehen tu ich das jetzt nicht! Ein Einzelfall oder ein falsch reingenähtes Größenetikett (seit den „Vorstadtweibern“ wissen wir ja, dass in dieser Beziehung gerne mal geschummelt wird!) oder ein Umdenken in der Sportmode, um der Kundin zu suggerieren, dass sie – auch ohne eine einzige Bewegung gemacht zu haben – bereits um die eine oder andere Konfektionsgröße schmäler an Bauch-Bein-Po geworden ist?

Ich jedenfalls liebe meine neue Lauftight, einfach deswegen, weil sie wirklich rutschfrei sitzt, ich mich gut darin bewegen kann und mich die frische Farbe auch beim longjog bei Laune hält – so gesehen „XS“ für eXtreme Super!