Szene eines Alltags im Taschenformat

Szene eines Alltags – und ich glaube nicht, dass es sich um einen Einzelfall handelt:

Es ist Samstag und der Wocheneinkauf beim Supermarkt steht an. Bodo ist schon so gut wie ausgehfertig und wartet leicht genervt, weil ich mich nicht für eine Handtasche entscheiden kann! Unter der Woche wird man mich auf der Straße immer mit einem riesengroßen Beutel aus Leder oder Stoff antreffen (plus Sportrucksack und Yogamatte – also einem Packesel nicht unähnlich). Den Einkauf im Supermarkt erledige ich aber lieber mit einer kleineren Umhängetasche, um die Hände bei der Auswahl von Äpfeln, Orangen, Joghurt … und Süßigkeiten 🙂 ungehindert frei haben zu können. Jetzt ist es aber so, dass ich mir ein neues Geldtascherl kaufen „musste“, weil meine langgediente den Dienst aufgab. Und die Neue (mit der an sich sehr zufrieden bin) ist nun einfach etwas zu groß/lang für meine kleine Umhängetasche!

Großes Dilemma!

Und gleichzeitig die Frage: Wo bleibt die Kompatibilität zwischen Hand- und Geldtaschen? – vor allem, wenn man einen Lieblings-Taschenlieferanten hat, der an sich ein “ Berliner Liebeskind“ ist? Ich kann mir ja nicht zu jeder Handtasche auch gleichzeitig die passende Geldtasche dazu kaufen?! Das Innenleben einer Damenhandtasche von A nach B umzupacken ist – sofern im Vorfeld gut strukturiert – schnell erledigt. Aber so klein im Verhältnis eine Geldtasche auch ist: was da alles rein passt!!! Und das soll ich jedes Mal, wenn ich mit einer anderen Handtasche unterwegs sein möchte, ebenfalls umsortieren? Da kann ich mir das Ausgehen gleich sparen!

Grübel!

Häh häh Wickie! Das ist es!

Ich gehe überhaupt ohne Geld aus dem Haus und lasse bezahlen!

… aber DAS wäre eine ganz andere Geschichte …

Spielerische Aufmerksamkeit im Flow

Ich habe eine lange Bücherliste bekommen – nein, nicht für Bücher, die einem das Gruseln lehren oder erotische Pseudophantasien verklickern, sondern in Vorbereitung für meine für dieses Jahr geplante yogische Weiterbildung. Als ich die beim Thalia bestellten Bücher abholen komme, hat das nette Fräulein am Info-Desk einiges zu tun – am Schluss geht dann noch ein Buch verloren, das dann aber glücklicherweise doch noch auftaucht – in all dem vermeintlichen Chaos besteht also doch tatsächlich eine durchdachte Ordnung. Mir wird ein strapazierfähiger Stoffbeutel geschenkt – das Tragen bleibt an meinen Schultern hängen.

Wie bei jedem neuen Buch wird natürlich große Neugierde entfacht: was werden mir die vielen Buchstaben, zu Wörtern, Sätzen und Kapiteln zusammengefügt, wohl mitteilen? Werden es ein adrenalinausschüttender pageturner sein oder doch eher ein harter Polster fürs powernapping zwischendurch?

Mit welchem Buch soll ich anfangen? Ich lasse Bauch und optischen Eindruck entscheiden – und greife im Morgengrauen zum im Format kleinsten, mit leuchtend gelb-orangem Einband und relativ großen Buchstaben – die Einstiegsdroge ist fertig gemixt!

Der Autor hat einen unaussprechlichen Namen – aufgrund seiner Werke wird der Wissenschaftler nur „Mr. Flow“ genannt – das Buch daher – wer hätte daran gezweifelt? – „Flow – Der Weg zum Glück“. Also wieder ein Ratgeber mit guten Tipps, die aber so lebensfremd sind, dass das einzige Glück darin besteht, das Buch sehr schnell in der hintersten Regalecke verschwinden zu lassen? Ich beginne daher mein Studium mit einem gewissen Grad der Skepsis. Diese Skepsis verflüchtigt sich aber bereits nach den ersten Absätzen des Vorworts. Zum einen spricht mich der Schreibstil an, da in easy understanding und written with flow gehalten, zum anderen – und wesentlichen Teil – sind es einzelne Wörter, Sätze, die ich spontan mittels gelbem Leuchtmarker noch mehr zum Strahlen bringe. Und diese mich berührenden Einzelgedanken, die doch zu einem Ganzen zusammenfließen, erfahren hier von mir eine unter Umständen neu interpretierte Rezeptur:

  • Gestalte dein ganzes Leben als einen Lebenstanz, als einen Tanz rund um dein Leben und mit deinem Leben. Indem du dich stets drehst und wendest und in Bewegung bleibst, wird sich alles um dich herum und du dich selbst stetig verändern – in kleinen, kaum spürbaren Nuancen oder um 180 Grad, leichtfüßig oder mal schon auch schweißtreibend.
  • Dein Tanzpartner ist die Aufmerksamkeit, die darüber wacht, dass durch eine deiner Bewegungen etwas anderes bewegt wird – nach Möglichkeit soll dieses Anstupsen natürlich zu etwas gutem führen.
  • Dein Tanzstil soll ein Repertoire an spielerischen Elementen aufweisen, sodass nie Langeweile aufkommen kann, dein Tanz immer spannend bleibt und jeder nächste Schritt von deiner Phantasie eingeleitet wird – aber sei aufmerksam dabei, dass du nicht stolperst (… diesen Tipp gebe ich gerne aus eigener allzu schmerzhafter Erfahrung weiter, zumal mich heute früh beim Laufen aufgrund witterungsbedingter Untergrundbeschaffenheit ein unbedachter Schritt recht schmerzhaft aufs Eis geworfen hat … ich glaube, der Flow, den ich da in dieser Sekunde des Fallens und vor allem Aufpralls hatte, hat mit dem Flow als Weg zum Glück nichts gemein – obwohl: habe ich nicht Glück gehabt, dass ich außer einem blauen Fleck in der Größe eines Untertellers und einem zu höchsten Graden beleidigten Ellenbogen keine weiteren, ernsthafteren Blessuren davon getragen habe?)
  • Du musst kein Dancing Star sein, um  spielerisch durchs Leben tanzen  zu können. Du tanzt in deinem persönlichen Rhythmus und im Takt deiner Musik!
  • Sei fokussiert im Moment, lasse aber auch wieder los – es gibt schließlich so vieles zu entdecken! Kleine Kinder, wie meine Nichte, sind da regelrecht zu beneiden: Alles ist neu und spannend. Jede für uns Erwachsenen kleinste Banalität ist für so ein junges Geschöpf ein Mirakel.
  • Empfinde Freude und Genuss, indem du dich selbst erkennst.

Zu guter Letzt ein wunderbarer Spruch:

„Handle immer so, als würde die Erlösung des Universums von deiner Handlung abhängen. Und lache dabei immer über dich selbst, nämlich darüber, dass du zu glauben meinst, du könntest mit deinem Tun überhaupt etwas bewirken!“

Gozo und die 50 – eine Reise ins Ich

Jetzt ist es vor einigen Tagen doch passiert – und gefühlt habe ich: Nichts! Wie auch, war ich doch wegen der Entdeckung eins Neulandes so abgelenkt, dass ich gar keine Zeit hatte, mich über lästiges Zahlenwerk aufzuregen oder in Depressionen zu versinken.

Aber lasst mich die Tage schnell zurückspulen und die letzte Woche des 2016er Jahres langsam als wunderbaren Film von Anfang an abspielen:

Mein „magischer“ Tag beginnt sehr zeitig um 4 Uhr morgens mit einer mächtig langen Anreise, die Bodo und mich per Bahn, Flugzeug, Bus und Fähre auf die kleine maltesische Insel Gozo im Mittelmeer führt. Es ist bereits Nachmittag, als wir mit fröhlichem Sonnenschein und leichtem Wind begrüßt werden. Der Geburtstagsprosecco wird daher auch mutig im Freien in der kleinen Hafenbucht geschlürft. Die Lektüre des Reiseführers lässt uns staunen, lernen wir erst jetzt, dass die Hauptsprache der Insel Malti ist, ein Mischmasch aus afrikanischen und arabischen Wortklaubereien, die sich auch in jedem Orts- und Stadtnamen wiederfinden. Das Alphabet zählt 29 Buchstaben, zum Teil mit Pünktchen und Querstrichen verziert, dafür fehlt zumindest ein Buchstabe aus unserem lateinischen ABC. 97% der Malteser sind Christen und sagen zu Gott trotzdem Allah. Und um sich einen guten Tag zu wünschen, wird aus dem Französischen kurz mal ausgeborgt: [bondschu:]. Englisch dient wohl nur dazu, sich mit den vielen Touristen verständigen zu können. Geschichtliche Wurzeln gehen zurück bis in die Steinzeit –

und Steine, die gibt es mehr als genug!

Voll Neugier machen wir uns nach einer ausgeschlafenen Nacht und einem umfangreichen Frühstück, das wir auf der Hotelterrasse genießen, auf die erste Tour rund um einen Leuchtturm. Bodo ist schwer bepackt mit Fotoapparat, dem einen und anderen und weiteren Objektiv und einem Stativ. Meine tragende Rolle beschränkt sich auf Mineralwasser, Regenjacken und die beiden dicken Reiseführer. Schon bald dürfen wir die ersten Fels- und Küstenformationen begehen / bestaunen / begreifen. Der Stein ist korallenartig zerfurcht und wirkt sehr stabil, sodass auch überhängende Felsen erklimmt werden können. An flachen Stellen sind kleine Salinenfelder angelegt. Die „Ernte“ findet zwischen Mai und September statt. Wäschewaschen in den seichten Salzlaken ist verboten. Es kommt zu den ersten Fotos meiner Spontan-Yoga-Postures. Hie und da fegt eine heftige Windböe heran. Meine einbeinige Baum-Asana kommt da ordentlich ins Schwanken – aber neigt sich nicht auch ein verwurzelter Baum im Wind zur Seite? Diese Fotos wandern allerdings ins Privatarchiv, denn in Jeans, Turnschuhen und dem kleinen Rucksack am Buckel sieht mein Baum eher wie ein krummer Busch aus!

Der Leuchtturm im Landesinneren steht erhaben auf einem Hügel, umgeben von grün bewachsenen terrassenförmigen Geländeformationen, immer wieder von Steinmauern in unterschiedlich große Teilstücke zerlegt. Die Besitzverhältnisse dürften hier offensichtlich der reinen Willkür unterliegen.

Der Wind bläst ohne Unterlass, die Sonnenstrahlen verlieren dadurch zwar an Wärme, aber noch finden wir es in kurzen Ärmeln ganz angenehm.

Wir verlassen zwischendurch die Küste und kommen durch kleine Ortschaften. Die Architektur der sandhellen Häuser mutet wie die Einheimischen-Sprache eher arabisch-nordafrikanisch an. Immer wieder weihnachtlicher Kitsch in den Fenstern zur Straße, aber natürlich keine Christbäume, wachsen hier auf der Insel doch so gut wie gar keine Bäume und schon gar keine Tannen / Fichten. Architektonische Leckerbissen können wir leider nicht ausfindig machen. Mächtig hingegen sind die Kirchenbauten, die von der Ferne wie jahrhundertealte Kathedralen / Dome / Basiliken wirken, jedoch meistens erst ein paar Jahrzehnte alt sind. In einer Wallfahrtskirche lassen wir uns dankbar auf einer Kirchenbank nieder. Es ist bereits Nachmittag. Wir haben bislang keine Pause gemacht bzw. auch keine Rast einlegen wollen, weil die Augen immer mehr vom Meer sehen wollten. Doch jetzt melden sich die Füße zu Wort!

Unsere erste Wandertour ist erst zu Ende, als die Sonne kurz vor 17 Uhr untergeht und die Dämmerung uns schneller gehen lässt. Die Beine schlurfen, der Körper schlottert nun vor Kälte – schnell in die Jacke geschlüpft! Im Hotel gönnen wir uns nach einer heißen Dusche unter der Regenbrause ein ausgiebiges Powernapping, bevor wir uns dann zur Nahrungsaufnahme machen. So verschlafen die kleine Hafenstadt Marsalforn auch sein mag, die Restaurants haben fast alle geöffnet und sind gut besucht. Wir bleiben die ganze Woche der italienischen Küche treu und schmausen vorwiegend Pasta und Ravioli.

Der zweite Tag beginnt wieder sonnig und sehr windig und nicht weniger abenteuerlich. Auf engen Trampelpfaden, die nicht immer zu erkennen sind, steigen wir hinter dem Ort auf einen bewachsenen Hügel hinauf und immer weiter in Richtung zur Calypso-Höhle und zur Ramla-Bay mit Sandstrand. Wir verlieren unterwegs aber den direkten Weg und müssen ein bisschen improvisieren. Die Höhle ist eher enttäuschend, weil man nur in einen engen Spalt hinunterschauen darf. Am Strand bin ich anfangs noch unschlüssig: soll ich rein ins Wasser ja/nein? Wir streicheln eine gut genährte zutrauliche Katze. Ihr zufriedenes Schnurren gibt mir dann schlussendlich den notwendigen Impuls dazu, doch den Bikini aus dem Rucksack zu holen. Als ich demzufolge dann sommerlich bekleidet durch den Sand laufe, beutelt es mich, so kalt ist der Wind auf der Haut. Der Sand ist hart, der Übergang ins Nasse ist sehr flach, die Wellen kommen rasch näher – und bevor ich noch einen einzigen Gedanken an Irrsinn / Wahnsinn / Unsinn verlieren kann, bin ich auch schon nass! Frisch! Herrlich! Und keinen stört´s! Der Wind trocknet die nasse Haut auch ohne Handtuch, der Sand zwischen den Zehen verkrümelt sich rasch.

Das war´s dann aber auch mit dem Meer von heute. Die Tour führt hinein in die Inselmitte und endet in Victoria / Rabat, der größten Stadt hier. Erbauend sind eigentlich nur die sonnenbeschienenen Stufen vor der Kirche auf der Zitadelle. Ansonsten aber empfinden wir die Stadt als zu betriebsam; zu viel Verkehr. Das bekommen wir dann auch auf der 3-Kilometer-langen Straße zu spüren, die wir bis zu unserem Hotel zurücklegen müssen – absolut kein Spaß, so ohne Gehsteig! Dazu fahren alle Autos auch noch „falsch“, sitzt das Lenkrad hier doch very british auf der rechten Seite.

Ab dann nehmen wir abends immer den Bus – aber der fährt halt leider nur einmal pro Stunde.

So auch am Morgen des dritten Tages. Wir fahren mit dem Bus nach San Lawrenz und wollen von der Dweira Buch mit dem berühmten „Window Azur“ entlang der Südküste bis nach Xlendi (sprich Schlendi) marschieren. Das wird heute ein reicher Fototag! Gleich zu Anfang nähern wir uns auf unerlaubten Wegen dieser Attraktion aus erodiertem Gestein. Wir hanteln uns eine Hügelkuppe hinauf, um dort dann erkennen zu müssen, dass der weitere Weg nicht so einfach ist, weil ein dicht bewachsener Graben zu überwinden ist. Aber wir schaffen das selbstverständlich! Es folgt eine ausgiebige Fotosession, in der ich die Krieger-Asanas und andere Yoga-Posen auf unterschiedlichen Steinbrocken zu halten versuche. Nicht immer gelingt die Kommunikation mit Bodo, der weit von mir entfernt steht, um die richtige Fotoeinstellung zu finden. Und da dauert dann eine Stellung schon mal länger als 5 Atemzüge! Ich posiere teilweise zwar auch barfuß, behalte aber die Jacke an und die Kapuze auf, denn es ist einfach kalt, obwohl die Sonne wie ein Honigpferd vom Himmel herunterstrahlt.

Das macht echt Spaß!

Im Hotel erfahren wir, dass das Window wohl bald Geschichte sein wird – die eigenartige Felsformation droht einzustürzen!

Auch der weitere Weg ist extrem kurzweilig und interessant. Immer wieder Neues zu entdecken. Was mich traurig stimmt und zornig macht, sind die zahlreichen auf den Hügeln verstreuten Steinkuben, die als Jagdunterstand dienen, denn hier im Malteserland ist die Jagd auf Vögel unterschiedlichster Art ein Volkssport! Auch wenn von der EU mittlerweile verboten, zahlt die Regierung lieber Strafen als Wählerstimmen zu verlieren – die Jägerlobby ist enorm, und viele, viele, zum Teil vom Aussterben bedrohte Flügelwesen werden weiterhin abgeschossen. Hin und wieder hören wir auch das Knallen von einer Schrotflinte. Unzählige Schrothülsen verschmutzen nicht nur die Umwelt, sondern bezeugen diese Verbrechen. Wir flehen jeden Vogel, der uns begegnet, an, vom Land hinaus aufs Meer zu fliegen!

Xlendi ist cool, Moby Dick wird unser Stammlokal: Bruschetta, Potatoe Chips und dann mit dem Bus zurück. Die Abfahrtszeiten am Busterminal von Victoria merken wir uns für die kommenden Tage, denn wir haben vor, wieder zu kommen!

Schon Tag Vier! Auf der Nordseite der Insel bauscht der starke Wind das Meer auf. An den Hafenmauern steigt die Gischt empor und hinterlässt außer nassen Gehwegen auch eine Menge an Meeresgemüse. Heute wandern wir vom Fährhafen mit dem arabischen Namen Mgarr (sprich: Imschar) nach Xlendi. Der Wind hier auf der Südseite der Insel ist sehr milde, die Sonne nach morgendlichem Wolkenprotest wieder strahlend, der Himmel einfach himmelblau, das Meer an vielen Stellen sowas von Türkisblau – das haben wir noch nicht gesehen! Ein einsamer Strand mit Felsplatten – uns schon wieder bin ich im Bikini. Allerdings fällt es mir heute ein wenig schwerer, ins Meer zu gehen. Bis zum Bauchnabel ist auch alles gut, aber als das Wasser zur Herzgegend kommt, muss ich schon kurz schlucken. Der Aufenthalt ist daher auch nicht allzu lang. Und außerdem soll Bodo nicht so lange auf mich warten müssen!

Unterwegs plaudern wir kurz mit einem Schotten, einem älteren, aber sehr drahtigen Herrn, der dann allerdings eine Verabredung vorgaukelt (?) und sich auf den Rückweg aufmacht.

Wir wagen uns immer wieder bis an den Rand der Steilküste. Wenn Bodo fotografiert, halte ich ihn fest – ob das im Falle des Falles (im buchstäblichen Sinn!) etwas gebracht hätte, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Und dann finden wir „unseren Kraftort“! Halbrund ausgeschliffene überhängende Geländekanten in sanftem Hellgelb, absolut windstill und in einer nachmittäglichen Sonne, die noch immer viel Energie verströmt. Ein Solitär aus festem Gestein, optisch einem herausgerissenen Herzen gleich – das ist die Yoga-Plattform schlechthin! Ich jetzt nur in Top & Tight und Bodo mit einem unermüdlichem Eifer, die Szenarie perfekt einzufangen. Das Lieblingsfoto wird wohl werden: ich im Lotossitz am Rand des Felsens, dem Meer zugewandt – eine innere Ruhe überkommt mich auf einmal, ich spüre, wie ich im Körperzentrum stark und stärker werde – oder bin ich schon kirre im Kopf? Vielleicht ist das jetzt der eine Moment, wo mir die gefürchtete Jahreszahl nichts mehr ausmacht? Beginnt hier und jetzt etwas Neues? Ist das Yoga?

Für weitere Bilder hier klicken

Etwas durchfroren kommen wir nach Xlendi und gehen nach einer Pause im Moby Dick zu Fuß bis nach Victoria, um wieder warm zu werden. Die Sonne geht auf halber Strecke unter. Als der Bus um 17:30 dann nach Marsalforn abfährt, ist es bereits dunkle Nacht.

Heute Abend trauen wir uns endlich ins „Kartell“. Als complimento werden uns vorweg frischgebackene Weckerln serviert und ein fruchtig-knoblauchiger Artischockenaufstrich. Die beste Pasta ever wird dem Sponsoring von Bodo´s Eltern gewidmet.

Leider meint der Kellner, dass morgen am Silvesterabend alles ausgebucht ist.

Der letzte Wandertag am letzten Tag des Jahres. Wir haben fast die gesamte Insel durchwandert und wollen heute nochmals auf die Südseite, weil es dort einfach schöner – windstiller und sonniger – ist. Wir starten in Xlendi (ohne Zwischenstopp im Moby Dick) und gehen ungefähr die halbe Strecke vom gestrigen Weg, halt nur vom gestrigen Ende beginnend. Das Meer glitzert. Das Jahr freut sich darauf, nach 366 Tagen seinem Nachfolger die Regentschaft zu überlassen. Bei uns macht sich allerdings eine leichte Beinschwere und Wanderfaulheit breit, sodass wir immer wieder kurz an besonders schönen Stellen faul verweilen, um dann wieder zu „unserem Kraftort“ zurückkehren. Dort kuscheln wir uns in das Halbrund des Gesteins und lassen uns von der Sonne verwöhnen. Als Yoga-Stellung fällt mir hier nur Shavasana (die Endentspannung) ein.

Herrlich!

Herrlich auch der Abschlussprosecco im Moby Dick.

Herrlich auch die schnelle Pasta im „Kartell“, bevor die anderen Gäste Anspruch auf ihre Tischreservierungen erheben.

Herrlich auch, dass es auf dieser Seite Gozos zum Jahreswechsel kein Feuerwerk gibt.

Wir sind bereits auf unserem Zimmer, schlürfen einen mäßig guten Proseccofusel, lachen zum wiederholten Male beim „Dinner for one“ und nehmen mit leichter Wehmut Abschied – nicht vom Jahr 2016, nicht vom endgültig verschiedenen 49er, sondern von wunderschönen, harmonischen und aufregenden Tagen auf dieser kleinen bescheidenen Insel im Mittelmeer.

U´re Welcome & Om shanti shanti shanti!