Early Birds

Nur die Frühaufsteher unter uns werden es mit Bedauern schon bemerkt haben: Die Sonne braucht morgens viel länger, um hinter dem Horizont aufzutauchen! Da ist es gut, dass Wecker immun sind gegenüber Licht und Schatten, Tag und Nacht – mein erster Alarm jubelt bereits um 5:15 (der Reserve-Alarm 10 Minuten später). Ich habe mir diesen recht sportlichen Aufwach-Zeitpunkt heuer im Frühsommer freiwillig ausgewählt, damit ich Zeit und Muse habe für meinen Morgen-Sport: zum einen der Yogaausbildung geschuldet, bei der wir bereits um 6 Uhr anfangen; zum anderen, um beim „freien“ Yoga-Praktizieren mein „Programm“ stressfrei bis 8 Uhr durchziehen zu können. Nichts Schlimmeres kann einem Yogi passieren, als mit einem ständigen Blick auf der Uhr mit den Gedanken bereits ganz woanders zu sein als im Moment auf der Matte!

Und dann gibt es da natürlich noch die Lauferei! Rehe, Hasen und seit neuestem auch Wildschweine (!) im Prater sind absolute Early Birds und schrecken sich kaum mehr, wenn ich schnaufend daher getrottet komme. Nun ja, beim Wildschwein war es etwas anders: das sah ich nämlich bereits aus der Ferne, deutlich erkennbar am langen Rüssel. Und nachdem ich nicht so unbedingt scharf drauf war, intensive Bekanntschaft mit dem Tier zu schließen, ging ich mal in einen Bremslauf, um abzuwarten, bis sich das wahrscheinlich eh harmlose Wildschwein wieder ins Dickicht zurückzog. Leider macht sich seit einiger Zeit bemerkbar, dass ich nicht mehr nach einen strikten Plan trainiere und auch keine 3-Stunden-Lauf-Ausdauer mehr habe. Länger als 90 Minuten bin ich nicht mehr unterwegs und unterbreche das Laufen auch für eine kurze Gymnastikeinheiten (20 Push-ups, 20 Trizeps, 100 schnelle Situps). Das führt aber alles leider dazu, dass ich gefühltermaßen langsamer werde – und das frustriert mich doch sehr! Ich kann das zwar auf Stress, Müdigkeit, oder schweren Herzens auch aufs Alter schieben, aber ich muss etwas gegen diesen Frust tun! Daher: Sobald das Yoga-Teacher-Training aus ist, Lukas und Adriana kirchlich geheiratet haben und Bodo und ich vielleicht über Allerheiligen in wärmeren Gefilden wandern waren, wird wieder ein Trainingsplan an die Kühlschrankwand gepinnt und der innere Schweinehund kräftig an den Ohren gepackt!!! An einem Marathon mit vielen anderen Schweißfüßen will ich eigentlich nicht mehr teilnehmen – da muss daher dringend eine andere Motivation her … wer eine gute Idee hat, soll sich bitte bei mir melden! … Und es muss nicht ein Wildsau-Lauf sein!

Wie auch immer: morgen früh um 5:15 werde ich wieder „freundlich“ geweckt – und dann werde ich, wenn mir die Zeitungsausträger auf ihren unbeleuchteten (!) Fahrrädern begegnen – immer noch lieber als ein Wildschwein -, mal über ein motivierendes Training nachdenken!

Potluck im Oryoki-Style

Was soll das nun wieder heißen? – Mir ging es nicht anders, bis ich im Yoga-Weiterbildungsblock Nr. 6 aufgeklärt wurde: 1) Potluck ist unverändert unser sonntäglicher gemeinsamer yogisch-vegetarisch-veganer Brunch, bei dem jeder etwas Schmackhaftes zum Verkosten mitbringt (davor gestalten zwei Yoginis je eine Yoga-Einheit, danach [mit vollem Bauch!] folgt eine dritte Yoga-Einheit. 2) Oryoki aber ist ein Ritual aus dem Zen, das schwer den Fokus auf Geben & Nehmen hat. Gekommen ist das Ganze von den buddhistischen Mönchen, die ihre Nahrung rein durch Almosen bekommen hatten – in der „modernen“ Zen-Welt wurde dies zur Zeremonie erhoben. Es gibt eigene Kurse, um das alles zu lernen (und zu üben)!

Wir (= 17 Yogalehrerinnen, die sich gerade um das 300 Stunden Teacher Training bemühen) wurden am vergangenen Sonntag quasi ins kalte Wasser geschmissen. Allein die Vorbereitungen wurden uns verraten: „Bringt Euer eigenes Oryoki-Set mit!“ … bestehend aus: 3 Schüsserln in vorzugsweise 3 Größen, damit man sie ineinanderstapeln kann, Besteck in einer Stofftasche, ein Fetzerl fürs Hoppala-Wegwischen, eine Serviette fürs Mauli-Abwischen, eine große Serviette, um alles in einen tragbaren Beutel einzuwickeln – wie ein Wandermönch halt.

Jede hat sich offensichtlich bemüht, ein appetitliches Oryoki-Set zu gestalten (ich war noch schnell in einem Geschäft, um neue Geschirrtücher als Serviettenersatz zu kaufen).

Einiges an Unbehagen, Unruhe, Unsicherheit und Ungeduld vor dem „Start“: Zwei von uns mussten den Raum herrichten (Kissen auflegen etc.), wir wurden in 4 Gruppen eingeteilt. Dann endlich der „Einmarsch“ mit dem Oryoki-Set, danach der „Einmarsch“ mit den Speisen. Danach gehen alle hintereinander im Kreis, bis jeder vor seinem Sitzplatz ankommt und Platz nimmt. Eine gemeinsame Verbeugung, ein gemeinsam gesungenes Mantra; Geschirr und Besteck werden nach einer bestimmten Reihenfolge und Handtechnik ausgepackt – und erst dann wird serviert und zwar: zuerst gibt jeder aus der einen Gruppe einem jeden aus seiner Gruppe. Der „Gebende“ stellt sich dabei vor den „Nehmenden“, kniet nieder, beide verbeugen sich, der „Gebende“ teilt seine Speise aus, der „Nehmende“ gibt an, in welches Schüsserl er die Speise haben will und wieviel davon. Ganz wichtig: unbedingt „Stopp“ deuten, denn andernfalls ist der „Gebende“ gezwungen, weiter zu geben und zu geben und zu geben – und da könnte dann doch leicht ein Hoppala passieren! Essen darf man erst, wenn alle etwas in einem Schüsserl haben. Und der nächste Gang kommt erst, wenn alle aufgegessen haben. So geht das weiter, bis jeder aus einer Gruppe einmal dran war. Danach entschied aber unsere Yogalehrerin, den Prozess dahingehend zu beschleunigen, dass immer einer aus einer Gruppe alle Gruppen, und damit alle der Reihe nach, bediente.

Das wahrlich Besondere: Alles ging SCHWEIGEND über die Bühne! … Wer hätte gedacht, dass 16 FRAUEN für etwas mehr als eine Stunde den MUND HALTEN können- also abgesehen vom Mund-Auf&Zu, um zu essen?

Auch speziell: Man nimmt automatisch von einer Speise nur wenig, und nimmt von jedem etwas, weil man dem „Gebenden“ Respekt zollen will (ausgenommen sind dabei eingefleischte Veganer [oophs!] und Allergiker [Erdnüsse, Kichererbsen] … weil: es kommen ja noch andere Sachen zum Kosten! Und für den Nachtisch muss auf jeden Fall noch Platz sein!

Ist jeder satt, wird es nochmals speziell: mit einer Spatel werden die Schüsserln sauber gespachtelt. Das, was abgespachtelt wurde, wandert auch noch in den Mund (ich machte den Fehler, zuerst das „süße“ Schüsserl „auszuschlecken“ und dann das „pikante“ – eine eigenartige Geschmacksbombe für meinen Gaumen!) Im Original wird noch mit heißem Wasser nachgespült (auch dieser „Tee“ muss dann getrunken werden!) – bei uns wurde darauf verzichtet.

Nach dem Essen wird dann alles wieder in einer bestimmten Reihenfolge eingepackt. Der „Auszug“ erfolgt analog zum „Einmarsch“ … und erst dann (!!!) darf wieder geplaudert werden!

Eine interessante Erfahrung, isst man doch meistens achtlos, zu schnell, zu viel, zu unkontrolliert!

Wir alle waren aber trotz „wenig essen“ satt bis obenhin und empfanden quasi eine Art von Befriedigung … und danach (mit vollen Bäuchen) folgte meine Einheit „Your Love – Your Yoga – Your Life“! … and: It was perfect!

Ich war bei Kino

Nein – es handelt sich nicht um einen Grammatik-Fehler! Ich war wirklich „bei“ Kino … bei Kino McGregor, einer der bekanntesten Yoginis Amerikas: eine kleine Blondine mit Oho-Effekt, weil sie über eine Körperbeherrschung verfügt, dass mir die Spucke wegbleibt – nicht zu glauben, dass sie vor Yoga keinen Kraft- oder anderen Sport ausgeübt hat. Es muss wohl an einer versteckten Anlage liegen und/oder an unermüdlicher Disziplin! Wie sonst kommt man ohne Gehüpfe  und Anlauf schwerelos in den Handstand? Oder kann man die Schwerkraft mit Betätigung eines geheimen Knopfes einfach ausschalten?

Der Workshop ging über 3 Tage – 5 Einheiten á 2 Stunden, davon 2 Einheiten mehr als schweißtreibend, die beiden anderen mit themenbezogenen Erläuterungen und ein paar passenden Übungen, die zwar unspektakulär anmuteten, es dann aber doch in sich hatten! Ich habe mich zeitweise völlig kraftlos gefühlt!

100 Yogamatten in einem Proberaum der Volksoper – geile Location …. aber: keine Duschen! Habe ich schon mal hinausposaunt, dass Yogaschweiß nicht riecht? Nun ja, ich habe sicherheitshalber die Pausen allein auf einer Parkbank verbracht; frische Yogakleidung und ein bisschen Sprüh unter die Achsel – und auf der Heimfahrt möglichst unauffällig in der Straßenbahn!

Wie bei jedem Seminar und/oder Workshop: es bleibt ein bisschen was hängen, das man in der eigenen Praxis umzusetzen versucht – bei mir ist es die Erfahrung, dass ich mit eingezogenem Bauch tiefer in jede Vorwärtsbeuge komme – nichts wirklich Spektakuläres, aber wer denkt schon dran, den Nabel ständig Richtung Wirbelsäule zu ziehen? Hallo Bauch: kannst nicht einfach du das Denken übernehmen?

Was mich ein wenig gestört hat, ist der Hype, der um Kino gemacht wird. Nicht nur, dass sie von sich aus überall Promotion macht – schließlich hat sie zum Erstaunen der Wiener mitten auf der Straße unter Beisein eines Kameramanns mit Yogastellungen, die Alltagsyogis eher nicht beherrschen, brilliert  – etwas, was sie an jedem Ort macht, wo sie gerade zu Besuch ist und was dann auch sofort in den social media nachverfolgt werden kann. Nein – nach den einzelnen Einheiten konnte man sich anstellen, um ein Selfie mit ihr zu machen – wie deppert ist das denn? Aber anscheinend verstehe ich die Welt rund um Facebook und Instagram einfach nicht!

Wichtiger als ein Selfie ist mir doch die Erfahrung, die Sonnengrüße einmal in einem schnell gezählten Rhythmus zu machen, meine Yogamatte im Schweiß schwimmen zu sehen und erkennen zu müssen, dass ich keine 10 Atemzüge in Utpluthih (dabei drückst du dich im Lotossitz vom Boden ab und „schwebst“) halten kann – und: wie angenehm erholsam ein ausgedehntes Shavasana (Endentspannung) sein kann!

Was wohl unerfüllt für mich bleiben wird, ist der schwerelose Handstand … Kino hat 5 Jahre lang daran gearbeitet … ein Alltagsyogi knabbert daran wohl ein Leben lang – na dann: let´s beginn!

Es hat sich ausgekäselt

Damit die Story ein Ende hat: Ich habe mein „Versprechen“ eingehalten! Am Morgen des letzten Augusttages und damit letzten Sommertages 2017 (am 1.9. war dann pünktlichst auch die herbstliche Abkühlung da!) habe ich meine löchrigen Laufschuhe ein letztes Mal ausgeführt. Mit einer ausgedehnten Runde durch die Wiener Innenstadt gab es einen würdigen Abschluss.

Danach wurden sie in die Mülltonne gebettet – mit einem leisen Dankeschön war´s das dann … Brutal 1!

Brutal 2: Mein „Killerinstinkt“ ist geweckt: jetzt ist ein weiteres (altes!) Laufschuhpaar von Asics dran, „ausgelaufen“ zu werden. Noch zeigen sich keine Risse, dafür ist die Zehenkappe aus Kunststoff zu gut ausgebildet. Die Schwachstelle bei Asics ist eigentlich aber auch eher im Fersenteil zu finden. Hier reißt relativ bald der Stoff auf und der Schaumstoff quetscht sich raus. Aber solange die Ferse nicht scheuert und blasenfrei bleibt, ist mir das mehr oder weniger egal!

Effizient 1: Ich schaffe damit über kurz oder lang Platz im Sportschuh-Schrank!

Effizient 2: … danach suche ich noch!