Ich schreibe gerne – privat: Reisetagebücher, Yogatagebuch, Blogs / beruflich: Protokolle, Protokolle, Protokolle – und jetzt auch für das Pfarrblatt, das in diesen Tagen mit einer Auflage von ein paar Tausend erschienen ist (die meisten Exemplare sind wahrscheinlich bereits im Altpapier gelandet …).
Passend zur Jahreszeit ist mein Beitrag der Fastenzeit gewidmet – und nachdem wir da heute fast in der Halbzeit angelangt sind, dachte ich mir, dass meine Gedanken vielleicht auch papierlos zur Anregung dienen könnten …
… daher …
Fasten 2019 – Mit Achtsamkeit und fröhlichem Herzen von Allem ein bisschen weniger!
Jetzt ist sie wieder da, diese ganz besondere Zeit des selbstauferlegten Verzichts. Auf was man verzichtet und wie man fastet, hat sich im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. Heute ist es, unabhängig von einer Glaubensorientierung, fast schon ein gesellschaftliches „Muss“, sich dieser Challenge zu stellen. – Und? Was machst du heuer in der Fastenzeit? Diese subtile Fragestellung zielt natürlich darauf ab, dass der andere geradezu mit „Ich […] NICHT“, „Ich […] KEIN(EN) […]“ antworten MUSS! Wäre es nicht besser, das persönliche Fastenopfer klein und bescheiden zu halten als öffentlich zur Trophäe zu machen? Oder braucht man die Öffentlichkeit als Ansporn, durchzuhalten und nicht zu versagen?
Neujahrs-Vorsätze sind eigentlich ja nur dazu da, dass sie bereits nach wenigen Stunden oder Tagen aufs nächste Jahr verschoben werden. Selten erreicht ein Neujahrs-Vorsatz den 21-Tage-Schwellenwert, den es wissenschaftlich belegt benötigt, um einen „Vorsatz“ zu einer „Gewohnheit“ umzuprogrammieren. Und jeder hat Verständnis dafür.
Fasten-Vorsätze hingegen werden da schon etwas ernster genommen. Worauf verzichtet wird, unterscheidet sich je nach Religion. Im religiösen Kontext dient das Fasten unter anderem der Reinigung der Seele, der Buße, der Abwehr des Bösen, dem Streben nach Konzentration, Erleuchtung oder Erlösung. Fasten ist die persönliche Einladung, sich auf das Wesentliche zu besinnen, nachzudenken und durch bewussten Verzicht die eigene Existenz zu überdenken.
• Fasten im Christentum – 40 Tage bewusster leben, um sich auf das wichtigste Fest im Christentum vorzubereiten. Von Aschermittwoch bis Ostersonntag, 46 Tage, die dank der Synode von Benevent im Jahr 1091 durch 6 „Jokertage“ auf 40 symbolhafte Tage verkürzt wurden. Knapp 6 Wochen, grob gerundet 10 % über ein Jahr gesehen, also nicht viel und doch eine große Chance.
• Fasten im Judentum – Faste oft, aber höchstens 25 Stunden: „Jom Kippur ist ein Tag, an dem wir auf so viele materielle Sachen verzichten, dass wir mehr wie Engel als Menschen sind. Wir verbringen den ganzen Tag in der Synagoge mit Gedanken an Reue oder die Rückkehr zu Gott.“ [Steven Langnas, Münchner Rabbiner]
• Fasten im Islam – Ramadan – Fasten, bis die Sonne untergeht: „Oh Ihr, die Ihr glaubt, vorgeschrieben ist Euch, zu fasten, so wie es denen vorgeschrieben war, die vor Euch lebten, auf dass Ihr gottesfürchtig werdet […] Und esst und trinkt, bis der weiße Faden von dem schwarzen Faden der Morgendämmerung für Euch erkennbar wird. Danach vollendet das Fasten bis zur Nacht.“ [Sure 2, 183]
• Fasten in der orthodoxen Kirche – Nahrungsverzicht: “veganes Leben light”
• Fasten im Buddhismus – Fasten als Einkehr: die Überwindung der Ursachen von Leid, beispielsweise durch Egoismus
• Fasten im Hinduismus – Askese als Lebensaufgabe: Fasten bis zum Ende (Prayopavesa)
Ich kenne aber genug Menschen, die mit Religion bzw. der Kirche „nichts am Hut“ haben und sich trotzdem dem 40-tägigen Fasten anschließen. An erster Stelle steht natürlich der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel und Getränke. Wie praktisch, dass die christliche Fastenzeit direkt an die üppigen Weihnachtsfeiertage und die ausschweifende Faschingszeit anschließt: Entschlacken, Detoxen, Tuning für die warme Jahreszeit? Oder Fasten als therapeutische Motivation, die Ernährung vorübergehend oder auf Dauer umzustellen?
Heil-, Basen-, Intervallfasten und Trinkkuren … Internet und Bücherregale sind voll mit guten Ratschlägen und Anleitungen. Der Fasten-Tourismus boomt. Ist Fasten daher zu einem saisonalen Lifestyle-Event geworden?
Aber egal, aus welcher Motivation heraus: Fasten hat immer mit Veränderung des eigenen Ichs zu tun, mit einer Änderung fest eingetretener Alltagsgewohnheiten. Das schließt in unserer heutigen Zeit vermehrt auch den Umgang mit Smartphone, Internet, Social Media oder dem Auto ein. So, wie Hobbygärtner schon darauf warten, die Erde umzugraben, leistet Fasten einen wesentlichen Beitrag dazu, das eigene Ich umzugraben, Luft ran zu lassen und positive Nährstoffe freizusetzen.
Und wie gehe ich selbst mit dem Fasten um?
Ich kann mich an eine Zeit erinnern, da war der Aschermittwoch ein grauenvoller Tag für mich. Meine Gedanken drehten sich bis zur „erlösenden“ Suppe am Abend nur ums Essen, was umso verwunderlicher ist, da es genug Tage in meinem (Berufs)Leben gibt, an denen ich den ganzen Tag nicht zum Essen komme und deswegen nicht gleich verzweifle.
Mittlerweile bin ich zum Glück gelassener im Umgang mit dem Aschermittwoch, und den Karfreitag verbringe ich nach Möglichkeit bewusst reduziert in allem, was tagsüber so anfällt.
Und was ist in der Zeit dazwischen, der Fasten-Zeit?
Ich ernähre mich schon sehr lange vegetarisch, trinke keinen Kaffee und habe noch nie geraucht. Der Wegfall eines Hin-und-Wieder-Gläschens Prosecco stellt keinen echten Verzicht dar. Süße Gelüste zwischendurch lassen sich leicht durch ungesalzene Nüsse ersetzen. Ich betreibe mehr als regelmäßig Sport. Und social-media-abstinent bin ich schon mal aus Prinzip. Anstatt die Augen bei einer flachen TV-Soap zu entspannen, gebe ich Dokumentationen aus dem Tierreich den Vorzug – nebstbei: früher schlafen gehen ist sicher auch kein Fehler! Und anstatt aus Langeweile auf eine ausgedehnte Online-Shoppingtour zu gehen, widme ich mich lieber der Vorbereitung unserer diesjährigen Jakobsweg-Etappe.
Somit alles kein wirklicher Verzicht!
Wodurch also kann ich meinem „Fasten 2019“ eine besondere Prägung geben?
Ich werde ein kleines Fasten-Tagebuch mit dem Titel „40 Tage Achtsamkeit“ führen. Dort soll jede noch so kleine Handlung niedergeschrieben werden, die achtsam und mit Selbst- bzw. Nächstenliebe begangen wurde. Das kann ein Lächeln einem fremden Menschen gegenüber sein, ein freundliches Wort gegenüber jemanden, wo der Sympathiegrad nicht sehr hoch ist, ein kurzes inniges Gebet oder einfach mal ein Stillsein.
Tun. Niederschreiben. Merken. Nachlesen. Wiederholen. Sich besser fühlen.
Gut fühle ich mich schlussendlich auch mit „meiner“ Fastensuppe. Es gibt mehr als genug Rezepte dafür. Und auch die katholische Frauenbewegung verwöhnt für einen guten Zweck am Suppensonntag mit hausgemachten warmen Speisen zum Löffeln. Ich selbst bin mitnichten keine große Köchin, halte mich nie an durchdachte Rezepte, sondern folge lieber meiner Intuition bzw. dem Inhalt meines Kühlschranks. Daher könnte „meine“ Aschermittwoch-Suppe möglicherweise so aussehen:
Lauch oder Zucchini, Karotten, Zwiebel; je nach Belieben grob oder fein aufschneiden (ich bin eher der „schnelle Grob-Schnipsel-Typ“, damit ich dann auch etwas zum Kauen habe); wer keine Zeit und Lust hat, mit dem Messer zu arbeiten, dem empfehle ich die Tiefkühl-Gemüsemischung Karfiol-Brokkoli-Karotten. Gemüse in Öl ganz nach Geschmack und Vorlieben anschwitzen bis leicht anrösten, Ingwer dazu (gibt es fein gemahlen als Pulver oder cremig als Paste), vielleicht auch Petersilie, grob gezupft; mit gut-viel Wasser (ca. 500 ml pro Person) aufgießen und aufkochen lassen; dann natürlich die (rein pflanzliche) Suppenwürze hinzu. Da ich es gerne scharf mag, kommt sicher noch Curry- oder Chili-Gewürz hinein. Alternativ könnte man die Suppe mit Tomatenmark auch rötlich einfärben. Ein paar Minuten kochen lassen, dann den Herd abdrehen und noch nachziehen lassen. Allenfalls noch ein bisschen mit Pfeffer und Kräuter- oder Meersalz nachwürzen. Noch besser schmeckt die Suppe, wenn sie am Vortag vorbereitet und dann aufgewärmt wird. Am Aschermittwoch verzichte ich auf Parmesan, stattdessen gibt es eine Scheibe Knäckebrot dazu.
Fasten ist eigentlich keine allzu schwere Übung, solange man vom Überfluss ein bisschen weniger in sein Leben hineinlässt und gleichzeitig ein fröhliches Herz bewahrt.
p.s.1: Ich nehme das Fastentagebuch-Schreiben wirklich ernst und notiere da auch schon mal selbstkritische Gedanken, wenn mir etwas an mir auffällt, was nicht so nachahmenswert ist.
p.s.2: Anbei auch das Layout!
Pfarrblatt Maria-Drei-Kirchen