Sieben Wochen lang hatten wir daheim „Ausnahmezustand“!
Aber nach elf Wochen seit meinem letzten Friseurbesuch hatte ich meinen ganz persönlichen Ausnahmezustand! Bad Hair Day? Lächerlich! Nur mit Hilfe eines Haarreifens konnte ich in den letzten Tagen meine Locken dazu animieren, sich ein bisschen zu kringeln und nicht trotzig herunterzuhängen. Vom gräulich-grauenerweckenden Haaransatz wage ich gar nicht zu reden! Was hat mich daran gehindert, einen Termin beim gewohnten Friseursalon zu buchen? Ganz einfach: der fesche Look einer Arbeitskollegin, die mir von einem Engel auf Erden vorschwärmte: „Ich war bei Angelo!“ Angelo? Ok, ok! Wer soll das sein?
Ganz einfach: Angelo ist ein waschechter Italiener, der in der Wiener City, am Rande zum Schwarzenbergplatz, einen „Verwöhn-Salon“ betreibt – und ganz offensichtlich mit himmlischen Händchen gesegnet ist!
Für mich daher ganz klar: No risk, no fun, denn ich verspüre große Lust auf eine haarliche Veränderung, sprich eine andere „Handschrift“ auf meinem Kopf!
Gestern zu Mittag war es dann soweit: Ich betrete den Salon, mit seinem eher zurückhaltenden Eingang, aber einem großzügigen Foyer, zeige brav meinen 3G-Nachweis her und werde nach hinten geschickt, wo ich an einem riesigen (Ess-)Tisch an der Stirnseite Platz nehme, der sechs Kundinnen Platz bietet. Die Tischplatte ist gut und gerne 10 cm dick, schwarz, das „Gedeck“ besteht aus zahlreichen Tuben und Spraydosen; darüber ein Bukett aus Kunstblumen, die sich gemeinsam mit den Lampen nach unten hängen lassen. Von meiner Arbeitskollegin bin ich vorgewarnt, dass es keine Spiegel gibt, so wie man es aus anderen Friseursalons kennt. Daher bin ich ganz entspannt und harre der Dinge, sprich: Angelo!
Und dann erscheint der Maestro (nachdem er einer anderen Kundin in persona die Haare gewaschen hat): Angelo ist für einen Italiener recht groß, naturalamente ganz in Schwarz gekleidet in Schwarz mit T-Shirt und hochgekrempelter Hose, dazu einfache weiße Sneakers. Die Frisur des „Engels“: unspektakulär seriös-elegant mit leichtem Grauschimmer an den Schläfen – und natürlich mit Bart!
„Allora, ich denke, wir werden Spaß haben!“ – so seine Worte zur Begrüßung! Ich sage nur kurz, worum es mir geht: unkompliziert muss es sein, kein Föhnen!, danach überlasse ich das Zepter gerne dem Fachmann. Denn so himmlisch der Name, so teuflisch hoch sind die Preise, über die ich mich im Internet vorweg informiert habe – also ist meine Erwartungshaltung auch entsprechend groß!
Sei´s drum: Nach den Strapazen der letzten Wochen und einen Monat vor meinem Jobwechsel – warum soll ich mir da nicht etwas gönnen?
Die Farbe macht mir eine junge, sympathische Friseurin – und ich finde es sehr angenehm, KEINEN Spiegel vor mir zu haben, denn man sieht einfach dämlich aus, wenn man eine Paste auf die Haare aufgetragen bekommt, die dann (hoffentlich!) die grauen Haare abdecken soll. Stattdessen starre ich in den begrünten Innenhof und beobachte möglichst unauffällig die anderen Damen am Tisch: eine bekommt gerade den Feinschliff für ihre Kurzhaarfrisur (erscheint mir aber etwas skeptisch), eine andere wird gerade geföhnt, die dritte wartet noch, bevor ihr Färbeprozess abgeschlossen ist.
Am Waschbecken keine Nachfrage: „Passt die Temperatur?“ oder „Wünschen Sie ein Pflegeshampoo?“ Es gibt einen Fixpreis für Waschen-Schneiden-Föhnen bzw. Färben, und da sind eine angenehme Wassertemperatur und die Haarpflege inkludiert!
Wieder zurück an meinem Platz muss ich nicht lange warten und Angelo öffnet seine Scheren-Box – „Allora – jetzt geht es los!“ Er wuschelt mir durch die nassen Haare – und legt los, ganz konzentriert, sprich: KEINE Nötigung zu Smalltalk – Himmlisch!
Und erst, nachdem ich ausnahmsweise den Locken-Föhn geduldet habe und das Schluss-Styling beendet ist, kommt: „Allora – bereit?“ – Si, ich bin bereit für den Spiegel! … Und ich bin sehr zufrieden: Auch ein Kurzhaarschnitt kann unterschiedlich aussehen: der Haarschnitt umschmeichelt meinen kleinen Kopf, es fühlt sich angenehm an – fluffig -, der Farbton ist ein bisschen harmonischer als vorher, … – ja, ich bin sehr zufrieden! Und das liegt nicht nur am charmanten Kompliment, das ich zum Abschluss bekomme!
Leicht beflügelt wie ein kleiner Engel schwebe ich daher nach vorne zur Kassa und bezahle mit stoischem Gleichmut und ohne, mit der Wimper zu zucken, den vergleichsweise teuflisch hohen Preis!
Mal sehen, ob ich in ein paar Tagen und Wochen noch genauso zufrieden bin und dann in acht … zehn Wochen wieder das Verlangen verspüre, auf einer Haar-Wolke zu schweben?