In Klausur

Ich bin jetzt seit einem Jahr im Pfarrgemeinderat. Ein Jahr, in dem nicht viel passiert ist, außer einigen Sitzungen, bei denen aber sowieso die Alteingesessenen das Zepter schwingen. In meiner Funktion als Präventivbeauftragte gegen Gewalt in der Kirche wurde ich bislang zum Glück noch nicht angesprochen, und im Vermögensverwaltungsrat habe ich bislang aktiv nur gewünschte bauliche Investitionen bewertet und die Kosten für eine mobile Rampe herausgesucht. Mit einem Wort: ein Jahr der mittleren Ernüchterung.

Daher eine gewisse Spannung und Erwartung, als es hieß, dass wir uns einen Tag in Klausur begeben müssen, um zukünftige liturgische Themen zu besprechen.

Fast alle Pfarrgemeinderäte waren gekommen. Ein auf solche Klausuren getrimmter Moderator sollte uns durch den Tag führen.

Die Holzstühle im Kreis aufgestellt und auf Dauer ziemlich unbequem.

Die Vorstellungsrunde kurzweilig.

Die erste Aufgabe: Jede der drei Teilgemeinden soll aufschreiben, welche Veranstaltungen übers Jahr rund um ihre Kirche stattfinden. Unausgesprochen wurde ich in unserer Gruppe zur „Schriftführerin“ des Tages (das Beschreiben von Kärtchen- und Flipcharts ist mir ja im Mediationskurs in Fleisch und Blut übergegangen 😊). Danach mussten wir die Kärtchen nach Tageszeit und angesprochene Altersgruppen auf dem Boden auflegen. Es zeigte sich bald: Kinder und Senioren, dazwischen die klassische Lücke!

Die zweite Aufgabe: Jeder soll für sich seinen Herzenswunsch bezogen auf die Pfarrgemeinde nennen und auch anführen, wo dabei Steine in den Weg gelegt werden. Dabei kristallisierten sich vier übergeordnete Themen heraus: Kinder & Jugendliche, Gleichwertigkeit der Wochenmessen, Musik als übergreifendes Medium und das Thema „Glauben neu verstehen“. Nachdem ich mich mit den ersten drei Themen gar nicht identifizieren konnte, mein Herzenswunsch in Richtung „durch sich selbst zu Gott finden“ ging, war klar, mit welcher Gruppe ich weiterarbeiten wollte – einem Dreamteam, bestehend aus unserem Pfarrvikar (ein genialer, weltoffener und es stets auf den Nagel treffender Prediger), den beiden ehrwürdigen Schwestern, dem Diakon, der Pfarrsekretärin, einem kulturell interessierten Pfarrgemeinderat und mir, die ich meine Rolle und Bestimmung im Pfarrgemeinderat noch nicht ganz gefunden habe – ändert sich das jetzt?

Der Pfarrvikar hat uns mit seinem Herzenswunsch, einen Glaubenskurs, ins Leben zu rufen, wachgerüttelt. Sich seiner Lücken im Glaubensbild nicht schämen zu müssen, sondern Antworten auf nicht gestellte Fragen bekommen zu können. Sehnsucht nach Glauben zu spüren. Durch den Glauben eine Oase der Contemplation zu erfahren – für mich ein Deja-vu: Im Yoga geht es um sehr Ähnliches, wenngleich hier „Gott“ eine andere Bedeutung hat als im katholischen Glauben. Faszinierend für mich auch die so unverfälschte Herzlichkeit und Aufgeschlossenheit der Nonnen in ihrem schwarzen Habit – Frauen, denen großer Respekt gebührt! Ich bin wirklich ein großer Fan!

Die dritte Aufgabe: Es geht an die Umsetzung – wer, wie, womit, bis wann? Wir wollen vor dem Sommer noch eine Informationsveranstaltung organisieren, um das Interesse ausloten zu können. Ich denke, ich melde mich für diesen Glaubenskurs sicher an, denn ich bin mir sicher, dass mein Glaubenswissen Lücken aufweist!

Der Tag war, auch wenn der Moderator eher schleppend wie ein nasser Lappen agierte, für alle bereichernd und interessant – ich jedenfalls habe von Dingen aus der Pfarrgemeinde erfahren, die mir davor gänzlich unbekannt waren! Eines ist mir jedenfalls bewusstgeworden: Mein daily business, meine Neben-Beschäftigungen und sonstigen Alltags-Interessen stehen einem aktiveren Pfarrgemeindeleben ordentlich im Wege. Vielleicht hilft mir aber der geplante Glaubenskurs, doch noch in die Rolle eines Pfarrgemeinderats hineinzuwachsen!?

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