Der scheue Retter

Das Leben ist ein ständiger Kreis-Lauf! Kaum steigen die Temperaturen (in den letzten Tagen sogar immens hoch für das aktuelle Datum!), sprießen die grünen Blätter und überwiegen die hellen Stunden des Tages, trauern die schnee-/eis-/kälte-begeisterten Sportler*innen zwar einer recht zaghaften Saison nach und traut sich aber so mancher Siebenschläfer endlich aus seinem Winterbau heraus.

Manche trainieren noch hart für den Marathon, andere bereiten sich mit Inbrunst auf die Olympischen Sommerspiele vor,

und andere testen ihre neues Schuhwerk, um sich auf den heurigen Wanderurlaub einzustimmen, der – so viel sei verraten – komplett anders werden wird, als die Jahre zuvor!

Aus mehr als 1.200 Rundwanderwegen, die Niederösterreich zu bieten hat (!), wählten wir für vergangenes SUPER-Wochenende zwei Touren aus – im Umfeld von Baden, Bad Vöslau und Kottingbrunn gelegen, um nicht allzu lange mit dem Auto unterwegs sein zu müssen.

Nicht viele Kilometer, aber kaum auf der Stadtautobahn ein durch einen Unfall verursachter Stau – die Rettungsgasse funktionierte wieder einmal „tadellos“ – besonders auffällig ein Autofahrer mit sturer Miene und geschürzten Lippen, der konsequent auf der Mittelspur blieb, bis er von einem gewaltigen Abschleppgefährt der Feuerwehr zur Seite gedrängt wurde!

 

Die Tour am Samstag, mit 27 Kilometern, lang, aber nicht überbordend anstrengend, da erfreulich mäßige Steigungen und immer wieder lockere Schattenwege. Allein die Ausschilderung ließ schwer zu wünschen übrig, und die aufgezeichneten Trackingdaten führten uns nicht nur einmal ins trockene Gestrüpp!

Insbesondere Mehrfachkreuzungen mit abzweigenden Wegen im spitzen Winkel zueinander hatten es darauf angelegt, uns in die Irre zu führen. Mit Erfolg, wie es schien, denn mit einem Mal deckte sich der ausgetretene Forstweg nicht mehr mit der Trackingstrecke, und abgenagte weiße Knochen ließen uns verunsichert, weiter gehen.

„Wir müssen mehr nach links!“ – aber: ein gut getarnter, gut 2 Meter hoher Maschendrahtzaun schien eine unüberwindbare Barriere zu sein, da sehr wackelig und zu unstabil zum Drüberklettern. Wir richteten uns darauf ein, dem Verlauf des Zauns zu folgen, bis … ja: bis was? … und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Umweg in Kauf zu nehmen, als uns ein lautes Knacksen im Dickicht in Schrecken versetzte … ein einsamer, hungriger Wolf?

Zum Glück nicht, nur ein aufgeregtes Reh mit filzigem Fell, das durch unsere Anwesenheit aufgeschreckt ganz aufgeregt nach einem Ausweg suchte. Soweit es uns möglich war, verfolgten wir das scheue Tier mit unseren Blicken. Plötzlich: ein Sprung aus dem Stand über den Zaun – und weg war´s, das Reh!

Wie war das möglich? Bei genauerem Hinschauen erkannten wir, dass genau an der Stelle, an der das Reh die Waldseite wechselte, der Zaun eingedrückt war. Unsere Chance, denn was ein Reh kann, können wir doch auch!?

Es wäre jetzt sehr vermessen, zu behaupten, dass wir es allein aus unserer Sprungkraft heraus über den Zaun schafften!

Denn so ehrlich muss ich sein: Auch wenn der Zaun an dieser Stelle um gut einen Meter niedriger war als an den intakten Stellen, er war dort besonders wackelig und mein Fuß verhing sich zudem im Maschendraht. Aber schlussendlich schafften wir den Überstieg und trafen nach einer Weile auch wieder auf den richtigen Weg, um unsere Wanderung fortsetzen zu können.

Vom Reh war aber nichts mehr zu sehen – schade, wir haben uns doch gar nicht bei unsere, scheuen Retter bedanken könne, so schnell war das Tier auf und davon! Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir ohne dieses Reh wer weiß wie lange noch auf der „falschen“ Seite herumgeirrt wären.

Wir sind auf unseren Wanderungen schon öfters von diversen Tieren auf den richtigen Weg gelenkt worden – dieses Reh darf sich nun auch in die Riege unserer tierischen Heros einreihen!