Ein Mann sieht Gelb

Die folgende, absolut ernst zu nehmende Anekdote ist die Nacherzählung eines in bildhaften Worten geschilderten Dramas in einem Akt, denn die Krisis zeigt sich schon nach dem ersten Bühnenbild und der Höhepunkt ist schnell erklommen.

Bodo war einer der ersten, der aufs Handy-Parkticket umgestiegen ist, sich damit gleich einen Strafzettel eingefangen hat, um dann im persönlichen Gespräch der Behörden-Dame das jüngst ins Leben gerufenen System zu erklären. Man sieht: Personalschulung ist etwas, was im Servicebereich offensichtlich nicht mehr stattfindet. Aber einer muss sich halt als erster mit neuen Angeboten, die das tägliche (und abendliche) Leben erleichtern sollen, beschäftigen / testen / bewerten – weiter empfehlen oder ablehnen. Aber das ist eine …. andere …. Geschichte und mittlerweile Vergangenheit.

Daher zurück zur Gegenwart:

Bodo und ich sind mit der Zeit begeisterte Online-Shopper geworden, ich zugegebenermaßen schwerpunktmäßig im Fashion-&Sport-Bereich (Zalando, Impressionen, Best Secret, Adidas, Run21, um die wichtigsten zu nennen), Bodo ist auf der Amazon-Beliebtheitsskala unerreicht, benötigt er doch technische Goodies, um sein Computer- und Fotografen-Herz höher schlagen zu lassen. Damit ist klar, dass es regelmäßige Paketlieferungen an unsere Adresse geben muss.

Wenn unser Vermieter gerade nicht daheim ist, um unsere Pakete in Empfang zu nehmen und wir im Postfach oder an der Tür klebend eine Verständigung der Post vorfinden, trabt Bodo immer brav zur uns zugewiesenen Poststelle, reiht sich in die Schlange der Post-Kunden an, verweigert jedes Mal das Einscannen seines Führerscheins – denn es widerstrebt ihm zu Recht, dass persönliche Daten auf einem Server außerhalb seiner Kontrolle abgelegt werden. Die Gefahr von Identitätsklau und anderen missbräuchlichen Schandtaten werden uns ja tagtäglich vor Augen geführt – nicht nur die NSA lässt grüßen, auch Adobe, Visa und viele anderen mussten eingestehen, dass ihre ach so sicheren Server gehackt wurden. Es ist eine Frage der Zeit, dass auch die Postserver auf der Begehrlichkeitsliste der Datensammler stehen. Paranoia oder nicht: er weigert sich beharrlich und der Schalterbeamte muss stets seine Führerschein-Nummer abtippen.

Daher ist das Glitzern in seinen Augen verständlich, als eine Information ins Haus flattert: Die Postpaket-App ist da! Registriere dich – Formular, Ausweis-Kopie und Unterschrift inbegriffen – und dir öffnet sich ein neues Leben, denn du wirst per Mail oder SMS freundlich benachrichtigt, wenn Amazon oder Zalando zu dir wollen, du bestimmst, wo du das Paket abholen willst – dass eine Postbox nur ein paar Schritte von der Wohnung entfernt Tag und Nacht bereit steht – entlässt dich der Verantwortung, zu für Berufstätige wahrlich unmögliche Öffnungszeiten, zum Postamt zu eilen.

Bodo freut sich, all der aufgestaute Frust, den er seit einiger Zeit gegenüber dem Postwesen hegt (Filialen schließen, die Warteschlange ist lang und länger, für manche Kundinnen ist der Beamte hinter dem Schalter Beichtvater und Seelsorger in einem – nur: warum muss ich das mit anhören?), scheint ein Ende zu finden, als endlich die Bestätigung einlangt, das man geprüfter und registrierter Post-App-Kunde ist.

Jetzt heißt es, nur noch warten, bis sich das nächste Paket ankündigt; ausprobieren, ob das mit dem Umleiten auch so funktioniert wie mit großen Worten versprochen.

Amazon ante portas!

Und dann Verwunderung – Enttäuschung – aufsteigender Ärger: ein gelber Verständigungszettel im Postkasten. Aber wo bleibt das Verständigungsmail? Bodo checkt seine 148 Mails – nein, er will nicht die Welt retten, er will nur sein Packerl umleiten und dann bequem zur Postbox hinüberspazieren. Kein Mail!

Da sieht Bodo Gelb!

Bodo wählt die Post-Hotline – Warteschleife, was sonst.

Dann endlich eine junge Stimme am anderen Ende der Leitung, die zum Opfer seiner kräftigen Schimpftiraden wird: Warum bekomme ich für die Sendungsnummer xy keine Mailbenachrichtigung? Sie zaghaft: das geht nicht, weil es sich um einen Paketbrief handelt. Die Umleitung geht nur bei Paketen!

Bodo explodiert in Neon-Gelb.

Die junge Stimme wird von einer erfahrenen älteren Stimme mit Tiroler Akzent unterstützt – Stimme jung ist noch in Ausbildung und solchen Stress-Situationen nicht gewachsen. Der Souffleur windet sich und kommt damit (lasst es Euch auf der Zunge zergehen): Wien ist anders, denn hier werden Paket-Briefe vom Brief-Träger NICHT ausgeliefert, sondern verbleiben brav im Postamt…, mitgenommen wird nur der vorausgefüllte gelbe Benachrichtigungszettel!!.

Bodo hat gelben Schaum vor dem Mund!

Letzte Frage: kann ich den Paket-Brief beim Postamt abholen kommen – jetzt?

Die alte Stimme: nein geht nicht, weil erst ab 16:30 möglich. Es ist wohlgemerkt 16:25!

In Bodos Kopf schraubt sich die Entrüstung zu einer himmelstrebenden Spirale hoch – die Erkenntnis trifft ihn mit aller Gewalt: Wenn der Paket-Brief das Postamt nie verlassen hat, warum, bitte, kann man ihn erst ab einer bestimmten Uhrzeit, nämlich zu einer, wo viele andere Menschen auch zur Post gehen, um ihren Paket-Brief abzuholen – also Warteschlange vorbestimmt – in die schweißnasse Hände gedrückt bekommen?

Darauf Stille am anderen Ende der Leitung. Erleuchtung oder am Ende des Postler-Lateins?

Gibt es eine Steigerung zu Dunkel-Gelb? Loderndes Feuer vielleicht?

Denn in genau dieser „heiteren“ Stimmung hechtet Bodo nun zum Postamt, in der Erwartung eines Deja-vu. Aber als wäre von oben ein direkter Befehl ausgesprochen worden, ist die Schlange dieses Mal ein kleines Würmchen, keiner fragt nach seinem Ausweis, keiner will eine Unterschrift von ihm – nur ein Traum oder waren alle vorgewarnt, dass da ein Gelbgesichtler hereinstürzen wird, dem Amok nahe?

Das Gelb verblasst nur ganz langsam,

denn vor der Türe wartet ein anderes Ärgernis – in Form eines seit Monaten offensichtlich missbräuchlich aufgestellten Halten-Verboten-Schildes und eines kaum lesbaren, wohlgemerkt abgelaufenen, Bescheides, der es der benachbarten Botschaft eines mittlerweile sehr beliebten Urlaubslandes ermöglicht, hier 3-Auto-lang zu parken, wohingehend Postkunden meistens durch die Finger schauen und eine Ehrenrunde um den Häuserblock drehen müssen.

Aber das ist eine Geschichte für zukünftige Sozialstudien!

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