Am Montag habe ich noch nicht daran gedacht.
Am Dienstag habe ich kurz mal nachgeschaut, wann denn die nächsten Termine wären.
Am Mittwoch habe ich den Newsletter mit der Ankündigung erhalten, war plötzlich von Lust gepackt, allein der vorgeschriebene Dresscode machte mir Kopfzerbrechen. — Ah! Es geht um eine Kleidertauschparty? Richtig!
Am Donnerstag habe ich dann doch nachgefragt, ob noch ein Platz frei wäre.
Am Freitag habe ich schließlich das Teilnahmeformular ausgefüllt und abgeschickt.
Am Freitag Nachmittag bin ich dann schwerbepackt – Handtasche über der Schulter, Yogamatte am Rücken, prall gefüllte Einkaufstasche und einer weitere Handtasche mit Inhalt am Arm – zuerst zu meiner Yogastunde aufgebrochen, die – by the way – derzeit mit so netten Leuten besucht ist, dass es richtig, richtig Spaß macht, zu unterrichten (und ganz wichtig: in meinen Yogastunden darf auch geschmunzelt und gelacht werden! … LeiLei und Namaste!)
In der engen Damengarderobe fand dann eine schnelle Umwandlung statt: vom Yoga-Outfit in eine sehr individuelle Interpretation des heutigen Dresscodes: „English Royal“ … mmh! Da ich weder ein British-Fan bin noch über die akkurate Eleganz einer royalen Lady verfüge, entschied ich mich eher für eine Szenerie, die auch am Land Bestand haben könnte: eine schwarze enge Hose, darüber ein am Bund angeknipstes Leder-Cape, das so quasi zu einem offenbeinig geschlitzten (Damen-Reiter-)Rock wird. Für oben habe ich mich für ein frosch-grünes Jogging-Überteil aus Neopren entschieden – wie gesagt: eine sehr freie Interpretation. Aber mit einem zufälligerweise gleichfärbigen Tüchlein und einer Perlenkette um den Hals wäre ich in meinen Augen nach einem ausgiebigen Ausritt oder einem langen Waldspaziergang mit sieben wilden Hunden sicher passend gekleidet, um am Kaminfeuer einen herrlich würzigen Earl-Grey-Tea einzunehmen!
Welches Stilelement machte die anderen Damen zu gazetten-geeigneten Ladies? An erster Stelle waren es selbstredend diverse Kopfbedeckungen: vom eleganten Hut mit Netz bis zur Dandy-Schirmkappe. An zweiter Stelle war hie und da ein wenig Karo zu erhaschen und unverzichtbar die eine und andere Perlenkette.
Statt Tee gab es wie immer kühl-prickelnden Prosecco, der wie immer großen Anklang fand, was aber dazu führen mag, dass die eine oder andere im leicht beschwipsten Zustand sich für Kleidungsstücke begeistern mag, die bei nüchterner Betrachtung aber dann doch schnell wieder den Weg zum nächsten Kleidertausch finden!
Nachdem an diesem Freitag alle Anwesenden schon mindestens einmal zum Tauschen, Quatschen und fröhlichen Beisammensein da waren, ging es, sobald dann endlich alle da waren (!), schnell los und Reih um. In der Mitte wieder das legendäre Überbleibsel-Tuch im wilden Tigerprint … sozusagen als Reminiszenz an das British Empire, das einmal bis weit nach Indien und Afrika reichte!
Nachdem es dieses Mal aber recht lange dauerte, bis alle Sessel belegt waren, musste die Wartezeit irgendwie überbrückt werden. Da kam eine jüngst ausgestrahlte Doku über Fluch und Segen gespendeter Kleidung gerade gelegen, die zu einer ernst-kritischen Diskussion führte: dass x-Hektoliter Wasser für die Produktion eines Stück Baumwoll-Shirts benötigt werden; dass in Afrika stinkende Kleidermüllberge aufsteigen, bestückt aus unseren europäischen Textil-Sammel-Containern; dass alles nur mehr verbrannt werden kann, weil in so schlechter Qualität bzw. in so schlechtem Zustand, dass es zum Weitertragen nicht mehr taugt. – Das saß!!!
Aber alle, die wir hier zusammensaßen, sind auch Teil dieser Wegwerf-Gesellschaft! Wir zögern zwar den Wegwerf-Kreislauf etwas hinaus, weil wir unseren nicht mehr so gerne getragenen Ex-Lieblingen zumindest noch eine weitere Chance geben (beim Tauschen war dieses Mal auch eine Jacke dabei, die ich sicher vor der Pandemie vorbeigebracht hatte, also ging dieses Teil schon ein paar Mal von Hand zu Hand!), aber Fakt ist doch, dass gerade wir Frauen immer wieder mal auch gerne auf Beutesuche gehen, um ein gerade top angesagtes neues Teil zu kaufen. Ich gebe es offen zu, dass ich mir gerne etwas Neues kaufe. Ich folge zwar nicht mehr jedem Modetrend, sei es, was den Schnitt betrifft oder die Farbtöne, aber ich stöbere gerne in einer Boutique oder auch auf Zalando, aber ich lasse mir mittlerweile bei meiner Kaufentscheidung bewusst Zeit, schlafe schon mal eine Nacht drüber und entscheide mich erst dann für oder gegen. Ich habe schon sehr oft eine Boutique mit dem Satz verlassen: „Das muss ich mir noch überlegen!“ oder „Ich muss erst schauen, womit / wie ich das Teil kombinieren kann!“ Und beim Online-Shoppen befülle ich immer zuerst die „Wunsch-/Merkliste“ und lasse die gekennzeichneten Teile oft tage-/wochenlang dort schmoren. Oft lösche ich etwas wieder, oft ist dann etwas auch ausverkauft – und zuweilen schlage ich zu!
Wie die meisten wahrscheinlich schon wissen, bin ich beim Kleidertausch meistens mehr auf dem Beobachtungsposten. So ist es mir dieses Mal – im Vergleich zum letzten Mal – aufgefallen, dass insbesondere diejenigen, die ihren Farbtyp eigentlich kennen und/oder auch schon die eine/andere Stilberatung genossen haben, zuweilen ein wenig gierig „Ich“ oder „Tanzkarte“ in den Raum schrien. Da dachte ich mir doch zuweilen: „Lady, das ist doch so gar nicht Deins!“
Aber vielleicht war das auch nur der Suche nach dem (schnellen) Moment des Glücks geschuldet, denn so, wie ein Stück Schokolade, das man langsam und bedachtsam auf der Zunge schmelzen lässt, herrliche Glückshormone zu wecken vermag, so zaubert auch der kurze Triumph, im Wettstreit die Schnellere gewesen zu sein, ein Lächeln auf die Lippen. Und verpufft der Glücksmoment dann in der Pause bei der Anprobe vor dem Spiegel, kommt das erbeutete Kleidungsstück halt auf den Wühlberg.
Ich habe mir die Mühe gemacht und nach dem Ende der Tauscherei und des Nachstöberns den Wühlberg zu sortieren, die Kleidungsstücke zusammenzulegen und in Papiersäcke zu verstauen. Und ja – es waren dann doch sieben (!) prall gefüllte Säcke, die jetzt zu einem gemeinnützigen Verein wandern werden, um dort ein wenig Gutes zu bewirken – ich bin mir sicher, dass die nicht eingetauschten Jacken, Mäntel und Hosen dankbare Abnehmerinnen finden werden. Bei den Krawatten bin ich mir allerdings nicht so sicher!
Ich habe dieses Mal vielleicht keinen eigenen magischen Glücksmoment gehabt, ging ich doch nur mit drei von meinen eigenen Sachen, die niemand haben wollte, wieder nach Hause. Aber mich freut es immer, wenn sich jemand über meine Weggeb-Kleidung freut – und das hoffentlich für mehrere glückliche Augenblicke!