Wer swapped, hat mehr vom Leben!

Gestern war es wieder einmal soweit: Aufruf zur Swap-Party im Novomatic-Gebäude gleich neben dem Wiener Naschmarkt – der „Flohmarkt“ der anderen Art öffnet seine Pforten für einen Tag. Das Thema: bringe 5 Fashionteile mit – egal, ob ehemaliges Lieblingsteil, Teil, dem du entwachsen bist, Fehlkauf oder  egal, warum – dieses Mal nicht nur für Ladies, sondern auch für Kids und Gents. Ich trenne mich, weil seit vielen Jahren ungetragen und daher nur Platz im Schrank okkupierend, von einem langen grünen Kleid, von dem Bodo meint, ich sehe aus, wie eine OP-Schwester, einem langen schwarzen Crinkle-Rock, den ich bei meiner Sponsion getragen habe (und seitdem nicht mehr), einen Blazer, der in Ungnade gefallen ist, eine Patchwork-Pluderhose von Desigual, die Bodo so gar nicht mag, da ihn ein tief liegender Schritt an Inkontinenz erinnert und zum Schluss noch verrückt bunte Stiefel mit klapperndem Pfennigabsatz.

Ich habe mich wieder zum Helfen angemeldet – meine Schicht ist von 11:00 bis 16:00, gemeinsam mit 14 anderen helfenden Händen, wobei uns bald die eine und andere Hand abhanden kommen wird. Obwohl wir 8 Damen uns kaum bis gar nicht kennen, ist die Aufgabenteilung relativ rasch und ohne zickenhaftes Gehabe koordiniert: zu dritt stehen wir beim Check-in, zwei nehmen die 5 Teile pro Person entgegen; wenn es ein Teil mehr ist, sagen wir auch nicht nein. Allerdings darf sich keine / keiner mehr als 5 gebrauchte neue Teile mitnehmen. Ich werde nach wenigen Minuten zur „Aufhängerin“ dieser Swap-Party und bekomme somit jedes geliebte oder nicht mehr so geliebte Stück in die Hand. In den nächsten Stunden werden das schon so um die 1.500 Kleider, Oberteile, Hosen, Jacken, Mäntel, Accessoires werden. Der Andrang ist riesig. Bald schon komme ich mit dem Aufhängen kaum nach, die Kleiderbügel (und vor allem die Kleiderspanner) schwinden zunehmend; noch kommt nichts aus dem Schauraum bzw. dem Check-out zurück. Die Kolleginnen, die die Kleidungsstücke im Schauraum nach Geschlecht und Größe vertragen müssen, schleppen sich ordentlich ab. Mir ist heiß und der Gaumen wird trocken. Mit Kennerblick lege ich mir bis zum Nachmittag drei Kleider und drei Gürtel zurück, die ich halbwegs interessant finde, denn wenn ich die Sachen für die Meute jetzt freigebe, werde ich sie nicht mehr wiedersehen. Nachträglich ärgere ich mich, dass ich mir nicht auch den schwarz-glänzenden trenchcoat-artigen Mantel mit Messing-Nieten, ein ungetragenes Stück Modegeschichte von einem London-Trip, geswappt habe, denn der Mantel hat Klasse und sticht auch der Masse hervor. Keine Ahnung, warum die Lady ihn nicht mehr mag. Eines muss leider gesagt werden: die Zahl der richtigen Gustostückerln ist sehr rar. Geschätzt 90% aller Modeeindrücke stammen von diversen Billig-Modeketten, die sich mittlerweile über den ganzen Globus oder zumindest über Europa verteilen. Zu Recht hat sich eine Dame, eine der wenigen, die richtig gute Sachen gebracht hat, beschwert, dass sie im Gegenzug für ihre Mitbringsel eigentlich keine adäquaten Stücke erbeuten könne. Eine Künstlerin (Schauspielerin oder Sängerin) kommt mit zwei großen Ikeasäcken und ist schon beim Check-in so enttäuscht, dass sie die beiden Säcke bei uns hinter dem Annahmetisch deponiert. Sie bietet mir zwar an, dass ich mir etwas aussuchen könne, aber beim schnellen Durchschauen in einem der wenigen Augenblicke, wo keine Swapperin am Tresen auspackt, ist für mich klar: dieser Promi hat zwar Geschmack, aber einen anderen als ich.

Gegen Mittag bekomme ich endlich etwas zum Trinken. Das Fernsehen war auch da und hat uns bei der „Arbeit“ gefilmt. Ich glaube aber fest, dass sie mich wieder aus dem Clip rausgeschnitten haben, denn ich war wohl zu energisch beim Kleiderbügel-Catching. Außerdem stand mir der Kameramann im Weg. Die Füße in den hohen Wedges schmerzen schon – nächstes Mal ziehe ich auch Sneakers an so wie Kollegin Sophie, die ganz in Schwarz gekleidet knallorange Nikes trägt und mir die angenommenen Kleidungsstücke entweder so hinhängt, dass sie mir bei meinem System im Wege sind oder mir die Sachen einfach hinschmeißt. Nun gut, sie ist einer der Mitorganisatorinnen, da darf man wohl etwas überheblich sein. Um 4 Uhr nachmittags schnappe ich mir dann meine Beute und ziehe mir die Kleider auf der Toilette schnell über den Kopf, ohne mich davor auszuziehen – wird schon passen, denke und hoffe ich – sonst kommt´s zur nächsten Swap-Party im Frühjahr. Die drei Kleider sind jetzt nichts Außergewöhnliches oder allzu Flippiges: ein schlichtes graues Kleid mit großem Ausschnitt – wahrscheinlich zu tiefblickend vom MamaLicious, ein echter Boss in hellgrauem Strick und ärmelos, dafür unten balloniert und dann noch das für mich komplett untypische chanel-artige weiße Kleid mit einem Stinktierartigen schwarzen Blockstreifen längs über den ganzen Rücken.

Nächstes Jahr bin ich als Helferlein sicher wieder dabei, denn obwohl es für uns alle in unserem Bemühen, alle schnell zufrieden zu stellen, doch recht stressig ist, macht es Spass. Zu sehen, mit welchen Textilien (und Kunststoffen) sich die Menschheit verhüllt, die unterschiedlichsten Geschmäcker zu entlarven und einfach zu sehen, wie gierig alle sind. Der Jagdinstinkt nach einem quasi Gratis-Schnäppchen existiert auch (und vor allem) bei Frauen. Das, was augenscheinlich gefällt und vielleicht passen könnte, wird an den Leib gedrückt, nur, damit keine andere es wegschnappt. Vergessen ist der dabei der eigene Einsatz. Ich sehe eigentlich nur aufgeregte und fröhliche Gesichter, ab und dann vielleicht kleine Verzweiflung, weil noch nichts Passendes dabei war. Kluge Köpfe legen sich bei unserer Sammelstelle auf die Lauer, um hier schon abzuchecken, ob etwas Passendes dabei ist. Eine Frau zB kommt alle 10 Minuten vorbei – sie sucht Oberteile in Large. Der Großteil, der bei uns abgegeben wird, hat Größe Medium. Small liegt an zweiter Stelle und alles, was noch kleiner ist, kann ich kaum am Spanner aufhängen. Und bei vielen Besucherinnen hat man das Gefühl, dass sie deshalb noch nicht auschecken, weil es könnte ja noch das ultimative neue Lieblingsteil kommen. Zugegebenermaßen denke ich abends, nachdem ich endlich zum Sitzen gekommen bin und mich wieder ein wenig erholt habe, dass ich nochmals hinschauen könnte, vor allem dann, wenn meine Beute sich als ungenießbar erweisen sollte – aber siehe da, mein Kennerblick hat mich nicht im Stich gelassen: die drei Kleider passen quasi perfekt (beim Fotoshooting meinte Bodo zwar: „Oh Stretch, das wächst noch mit!“), zwei der drei Gürtel sind ok, den dritten im Cow-Style kann ich nur als Brustgurt tragen oder ich versuche es mal als breiten Armgurt. Man muss kreativ denken und das werde ich – spätestens bis zum nächsten Swap-Event.

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