Das Abenteuer A´dam

… mit ordentlicher Verzögerung // aber nachdem in diesen Tagen niemand mehr pünktlich ist bzw. oft nicht sein kann (zur Erklärung dazu dann weiter unten mehr), sei mir verziehen \\ nunmehr ein paar Erinnerungen an aufregende Tage in – AMSTERDAM!

Kaum zurück von einem wunderbaren, wenn auch sehr anstrengenden Wanderurlaub in einem unserer südlichen Nachbarländer – der ausführliche Reisebericht wird in gewohnter Weise erst in der kühleren Jahreszeit entstehen – bleiben mir nur drei Tage zum Aufarbeiten, denn bereits am Donnerstag geht es zum Betriebsausflug in eine der coolsten europäischen Städte!

Nach 2 Jahren Zwangspause muss der Betriebsausflug einfach etwas Besonderes werden – daher wurde auch von langer Hand alles bis ins Detail geplant. Die Gruppe – mit rd. 40 Leuten doch sehr groß – trifft sich um kurz nach 5 Uhr früh vor dem Check-in-Schalter der KLM. Je nach Anreise zum Flughafen war für die meisten daher um 3 Uhr Schluss mit Bettruhe! Wer glaubt, dass wir die einzigen sind, die aufs Check-in warten, liegt leider vollkommen falsch, denn die Menge an Personen, auch Hunden (!) und Koffern ist enorm – das Ende der Schlange kaum auszumachen! Unsere Reiseorganisatorin macht aber das Unmögliche, sprich den Gruppen-Check-in möglich, sodass wir ziemlich rasch durch den Security-Check können. Das Flugzeug hebt allerdings mit Verspätung ab. Durch einen Sitzplatztausch mit einem meiner Kollegen, der aufgrund seiner langen Beine lieber am Gang sitzen will, kann ich – mit der Nasenspitze dicht am kleinen Fenster – die Erde unter mir bestaunen und damit der aufkommenden Müdigkeit trotzen: bilden die Felder, Wiesen und Orte anfangs noch einen bunten, unregelmäßigen Fleckerlteppich, ändert sich dies mit dem Überfliegen der Grenze Deutschland-Niederlande abrupt in eine mit dem Lineal gezogene Landschaft, gespickt mit Wasser und modernen Windrädern.

Sicher gelandet und dank Handgepäck nicht auf die Gepäckausgabe angewiesen ziehen wir zügig los, denn ein Reisebus steht schon für uns bereit, der uns zum ersten Tagespunkt– einem Frühstück – bringen soll – ausgenommen unserer Reiseorganisatorin, die unser Gepäck im Hotel abliefern und dann nachkommen will. Aus einer inneren Eingebung heraus biete ich ihr an, sie zu begleiten, da man bekannterweise zu Mehrt schneller ist als allein. Der Bus hält also an, um die Gruppe rauszulassen und fährt dann mit uns beiden wieder ab. Luftlinie zum Hotel vielleicht 500 – 1000 m, doch der Bus zieht wieder einen weitgezogenen Bogen durch die Stadt – viel Verkehr, rote Ampeln. Der Blick auf die Uhr macht rasch klar, dass wir den ersten Tagesordnungspunkt hoffnungslos versäumen werden und es zum zweiten Tagesordnungspunkt, dem geführten Stadtrundgang, nur im Eilschritt schaffen können.
Plötzlich aber wird unser Bus von einem Straßenkontrollposten angehalten. Der Vorteil des Niederländischen ist, dass man den Inhalt des Gesprochenen relativ leicht verstehen kann. Daher braucht uns der Chauffeur gar nicht auf Englisch zu übersetzen, dass der Bus nicht weiterfahren könne. 40 Koffer, ein paar Reisetaschen und ein Kleidersack – und 500 m zum Hotel – wie soll das gehen? Meine Kollegin versucht verzweifelt, jemanden im Hotel zu erreichen – ohne Erfolg. Der Chauffeur hat an anderer Stelle aber mehr Glück und bekommt die Zusage, dass uns gleich jemand mit kleineren Fahrzeugen abholen kommen würde. Zu dritt zerren wir die Gepäckstücke aus dem Kofferraum und deponieren sie – mit Erlaubnis des strengen Straßenkontrollpostens – in einer Parkbucht. Der Bus wendet mit mehrmaligem Einschlagen und lässt uns beide allein zurück. Na prima! Jetzt stehen wir da in einer fremden Umgebung und warten auf das Ungewisse. Nacheinander eilen wir in ein gegenüberliegendes Lokal auf die Toilette, erreichbar über eine schmale und steile Stiege – offenbar scheint in den Niederlanden eine Trennung in Weiblein und Männlein nicht mehr zeitgemäß zu sein. Gut, dass wir zu zweit sind!

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen zwei Hotelangestellte in zwei Fahrzeugen. Um die Langsamkeit der muskelbepackten Paschas etwas zu beschleunigen, packen wir zarte Frauen auch an – die letzten Koffer werden mit viel Nach-Druck in den Kofferraum gedrückt. Und fast kommt es zu einer Rangelei zwischen den beiden Männern mit der Polizei, wobei mir der Grund dafür noch immer nicht ganz klar ist, denn es ist doch offensichtlich, dass hier viel Gepäck verstaut werden muss (?)

Endlich fertig, endlich auf dem Weg ins Hotel, endlich das Gepäck abgegeben!

Die Dame am Empfang will uns glatt die Straßenbaustelle als akutes Gasgebrechen verkaufen – auf den ersten Blick mag das vielleicht überzeugend klingen, bei näherer Betrachtung aber ist klar, dass es sich hier um ein groß angelegtes Straßensanierungsprojekt handelt, das schon seit einiger Zeit im Gange ist und noch länger dauern dürfte!

An dieser Stelle flüstert der Optimist in mir in mein Ohr: Seid doch happy – die Sonne strahlt und Ihr seid vom holländischen Oft-Regen verschont geblieben!

Da wir es zeitlich nun aber auch nicht mehr zum Stadtrundgang schaffen, erholen wir uns von der Aufregung auf der Dachterrasse des Hotels bei einem Ankunftsgetränk und marschieren dann etwas gelöster zum Treffpunkt für die Grachtenfahrt. Ungefähr 1,5 Stunden schippern wir dann in einem großen, leider komplett eingehausten Boot mit kleinen Fenstern, aber einem nicht enden wollenden Cateringangebot an Drinks und Snacks durch die Grachten A´dams. Meine Kollegin und ich berichten natürlich von dem Spektakel, vielleicht auch mit kleineren Übertreibungen, um die Sache auch für die Kolleg:innen spannend zu machen. Trotzdem zeigen sich die meisten kaum beeindruckt – wichtig ist ihnen nur, den eigenen Koffer bei Ankunft im Hotel bereits auf dem Zimmer vorzufinden, um sich für das 5-Gänge-Menü in luxuriöser Umgebung frisch machen zu können.

Die Zimmer sind nach klassischem Boutique-Hotel designet – das Bett ist riesig, der Waschtisch frei im Raum auf einer mächtigen Tischplatte, die Dusche länglich und auf einer Stirnseite abgerundet, das WC versteckt im Schrank.

Ich nutze die freie Stunde für einen aktiven Test des schmalen, langen und wenig tiefen Hotelpools auf der Dachterrasse – die anderen genehmigen sich lieber einen erfrischenden Drink und halten maximal die Füße ins Wasser.

Der Reisebus – mit einem anderen Chauffeur – hole uns bei „unserer Koffer-Zwischenstation“ ab – der Weg dorthin über aufgerissene Straßen, Sand und Steine – ein Fest für so manchen Stöckelschuh!

Das Dinner findet in einem sehr noblen Hotel statt, der Tischschmuck überaus blumig, das Personal überaus aufmerksam – ständig werden Getränke nachgeschenkt bzw. wird Besteck nachgelegt. Auch wenn mein Magen bereits nach der Pilzsuppe (2. Gang) meint, dass eigentlich schon genug sei, gustiere ich mich auch noch durch die weiteren 3 (vegetarischen) Gänge – nur das Baiser beim Nachtisch lasse ich übrig (nicht aber die darin versteckte Eiskugel).

Bereits nach 22 Uhr – der lange Tag macht sich nun doch bei den meisten bemerkbar. Rasch zeigt sich, wer sich doch schon zum alten Eisen zählen muss und wer im jugendlichen Sturm und Drang das Nachtleben erforschen will – die „Vernünftigen“ gehen nach einem ausgedehnten Spaziergang durch die belebte Stadt (oder nach einer Taxifahrt) unmittelbar ins Bett, die „Rastlosen“ suchen noch die eine und andere Bar auf und schaffen es damit auf 24 Stunden Wach-Sein.
Wer mich kennt, weiß, welcher Gruppe ich mich anschließe – schließlich warten noch weitere Tage in Amsterdam auf mich!

Am nächsten Morgen zeige sich der Himmel etwas regnerisch, ich verzichte daher ganz ohne schlechtes Gewissen auf eine Laufrunde oder einen Spaziergang und checke vor dem Frühstück meine Mails.

Nach dem Frühstück und dem Check-out – die Koffer dürfen im Hotel bleiben, entscheiden sich fast alle, zu Fuß zum van Gogh-Museum zu schlendern. Es sind daher nur 4 Leute im Bus – und der Busfahrer soll entsprechend erbost gewesen sein.

Der Besuch der Dauerausstellung des berühmten Malers ist super – jeder bekommt ein eigenes Audio-Equipment und kann so individuell durch die drei Ebenen wandern. Natürlich sind wir nicht allein, und vor den berühmtesten Werken, wie den leuchtenden Sonnenblumen, staut sich die Besuchermenge aus aller Welt, aber trotzdem ist es sehr angenehm, unabhängig, frei und stressfrei ein bisschen Kultur zu genießen.

Stressfrei ist es bis zum Anruf mit einer +31-er Vorwahl: Ich werde darüber informiert, dass das Hotel, das ich für Bodo (der gerade im Anflug ist) und mich bis Sonntag gebucht habe, nicht verfügbar sei – aber, dass … zum Glück!!! … wir in einem anderen Hotel ein Upgrade auf eine Junior-Suite zum gleichen Preis bekommen. Ein Blick auf den papierenen (!) Stadtplan, stets zückbereit in meiner Handtasche, beruhigt mich, denn auch dieses Hotel liegt zentral und nicht weit vom Hotel mit dem Rooftop-Pool.

Nach van Gogh ist der offizielle Teil des Betriebsausflugs vorbei – die Gruppe zerstreut sich; die meisten wollen abends wieder den Heimflug antreten, im Wissen, dass es zu langen Wartezeiten kommen könnte; ein paar wenige, wie auch ich, verlängern bis Sonntag.

Bodo´s Abflug in der Früh um 9 Uhr ist zwar auch verspätet, trotzdem möchte ich rasch los, um ihn beim Hauptbahnhof abzuholen. Das ganze Stück in der schwülen Hitze zu Fuß? Dazu habe ich nun keine Lust und nehme stattdessen doch viel lieber die Straßenbahn, die direkt vor dem Museum eine Station hat. Das Ticket kaufe ich im Wagen – hier gibt es in der Mitte einen strengen Supervisor, der Passagiere, wenn sie die Türen verstellen, zum Weitergehen verdonnert.

Nun stehe ich vor dem großartigen Bahnhofsgebäude und mache mich auf eine längere Warterei gefasst. Bodo schreibt um 11:45: gerade gelandet. Bodo schreibt wenig später: Zug nach Amsterdam wurde gestrichen, muss auf den nächsten warten!

Carpe diem – ich entschließe mich, den Koffer zu holen und gleich ins andere Hotel zu bringen – der Weg dorthin durch Menschenmassen – Touristen, Radfahrer:innen, Autos – und dazu noch Hitze – mein Rücken bereits schweißnass. Gestern dachte ich noch, dass ich mich in dieser Stadt nie und nimmer auskennen könnte, denn Häuser, Gassen, Grachten – alles sieht irgendwie gleich aus. Jetzt präge ich mir mit Hilfe des Stadtplans den Weg gut ein und finde so problemlos das alte Hotel und den Weg zum neuen.

Dort werde ich zwar aufs Höflichste empfangen, aber offenbar ist nicht mitgeteilt worden, dass ich die eine bin, die vom eigentlich gebuchten Hotel nunmehr hier übernachten soll. Die Concierge muss sich durch mehrere Stellen durchtelefonieren – aber dann ist zum Glück auch diese Hürde geschafft. Nur das Zimmer ist noch nicht fertig – Personalmangel an allen Ecken und Enden!

Im Eilschritt laufe ich wieder zum Bahnhof zurück. Zwischendurch informiert mich Bodo, dass zwar die Züge wieder fahren, er aber zu früh ausgestiegen sei – daher nochmaliges Warten auf den nächsten Zug. … schon nach 13 Uhr – Bodo ist endlich angekommen. Zeit für ein Bier!

Bewusst lenke ich unseren Weg durch schmälere Gassen und weg von den Hauptrouten, aber die eine Straßenbaustelle können wir nicht umgehen.

Das Hotelzimmer ist noch immer nicht fertig, aber zumindest können wir auf die Toilette. Und „befreit“ sind wir nun bereit für den ersten Stadtspaziergang – Bodo, ich und die Kamera!

Rasch überfordert wegen der vielen Fahrräder, mit denen wir von links, von rechts, von vorne, von hinten rechnen müssen, entscheiden wir uns für eine 75-minütige Open-Boat-Tour. 11 Touristen aus USA, Australien, Frankreich, Deutschland und Österreich, eng an eng und den Erläuterungen des fröhlichen Skippers lauschend, können recht entspannt die zum Teil sehr skurrilen Gebäude bestaunen: oft schief in alle Richtungen, keines wie das andere und doch sehr ähnlich. Wir erfahren von den alten Zeiten und welche Herausforderungen auch auf diese moderne, lebendige Stadt lauern – und spannen schnell die Regenschirme auf, als ein kurzer Schauer niedergeht.

Auf dem Rückweg ins Hotel setzen wir uns in einer wenig befahrenen Gasse auf eine Bank in die Abendsonne und genießen die langsam tiefersinkenden Sonnenstrahlen.

Unsere Junior Suite – eine winzige Maisonette – unten Garderobe, Dusche, WC, Waschbecken / oben das Doppelbett; eine Flasche Rotwein als Welcome-Present.

Das Abendessen gestaltet sich schwierig, da uns in der näheren Umgebung nichts zusagt und je weiter wir ins Geschehen eindringen, desto voller wird es – es scheint, als wäre jedes Restaurant überrannt. Bodo wird langsam, aber sicher ungehalten, weil hungrig und durstig, und ich will einfach nur einen gemütlichen Tagesausklang!

Bodo fragt schließlich einen Einheimischen, der uns ein gutes Stück entfernt ein Lokal empfiehlt – leider ohne Speisekarte. Dort dann aber der Tipp für ein italienisches Restaurant, ein paar Meter weiter – zum Glück ist da glatt ein Tisch frei für uns – zwar nicht im Freien, aber das ist uns nun auch schon egal, außerdem sind die großen Fenstertüren alle offen. Das Essen ist gut, mit der Vorspeise, die wir gierig verspeisten, aber zu viel – zum Glück haben wir ja noch einen Verdauungsspaziergang vor uns!

Am nächsten Morgen mache ich meine Laufrunde in einem schönen, recht großen Park – ein bisschen eine Mischung aus den größeren Wiener Parkanlagen: verschlungene Wege, kleine Brücken, Themen-Wiesen und kleine Teiche. Nach Dusche etc., recht früh und wie immer ohne Frühstück, machen wir uns auf zur „großen Shoppingtour“. Anfangs sind die Gassen noch herrlich leer – die Nachteulen müssen ausschlafen, die Shops haben noch geschlossen. Der Blumenmarkt entpuppt sich als großer Souvenirshop mit Tulpenzwiebeln im Sackerl, Tulpen aus Holz und den üblichen Magneten. Den plötzlichen Regenguss warten wir einfach ab. Mit Schlag 10 Uhr wird es dann voller und voller – Geschiebe hier / Geschiebe da, Sale und ein IT-Sneaker, für den die Jugendlichen in der Schlange anstehen. Unsere Unruhe wächst mit jedem Schritt. Kauferlebnis gleich Null!

Wir machen daher unser Vorhaben wahr und fahren zu Mittag mit dem Bus auf die knapp 25 km entfernte Insel Marken. Dort werden wir von Idylle empfangen – süße Häuser, schöne Gärten, ein paar Schafe …; doch nach ein paar Metern leider laute Musik und noch lauteres Gegröle – großes Dorffest? Schnell biegen wir daher auf einen schmalen Pfad Richtung Leuchtturm ab und sind rasch wieder von Natur und natürlichen Geräuschen umgeben. Wie befreiend!!!

Am Leuchtturm machen wir eine kurze Sitzrast – die Füße dürfen ins Wasser – Achtung: Süß-, nicht Salzwasser!

Um vor der Rückfahrt die öffentlichen Toiletten im Dorf aufsuchen zu können, muss ich Geld wechseln – 0,5 Euro für ein bisschen Pinkelei!

Kurz vor 18 Uhr sind wir wieder in A´dam zurück. Den ursprünglichen Plan, zur Erfrischung zuerst ins Hotel zurück zu gehen und dann zum Abendessen aufzubrechen, verwerfen wir rasch und entscheiden uns, gleich bei einem netten Italiener einzukehren, da um diese Uhrzeit noch Tische frei sind. Zuerst im Freien wechseln wir aufgrund der dunklen Wolken und feuchten Luft doch schnell ins Innere. Das Personal ist sehr freundlich – die Pizzen sehr lecker! Kaum ist es 19 Uhr, prügeln sich die Leute fast um einen Platz im Restaurant!

Satt und müde ab aufs Hotelzimmer!

Der letzte Tag in A´dam. Wie durch ein Wunder passen auch die paar neuen Kleidungsstücke in den kleinen Handkoffer. Bis auf den Fotoapparat können wir alles an Gepäck bei der Rezeption lassen. Wir spazieren zum großen Park, den ich gestern laufend erkundet habe. Auch wenn es im Park (noch) richtig friedlich ist – Sportler:innen, Hundebesitzer:innen, wenig Radfahrer:innen -, Bodo ist vom Amsterdamer Stadtleben mental mächtig gestresst! Kreislaufprobleme und ständige Schweißausbrüche quälen ihn – nur auf der Insel gestern ging es ihm gut!

Nach dem Park genehmigen wir uns ein spätes Frühstück – Bodo bestellt ein 3-Eier-Gericht, ich mampfe bald einen gekühlten Apfelkuchen. Wie sollen wir uns die Zeit bis zur Abreise vertreiben? Für Ausflüge nach außerhalb ist es zu spät, müssen wir doch aufgrund der aktuellen dramatischen Zustände schon am Nachmittag zum Flughafen (die Medien berichten von unglaublichen Szenen beim Security-Check und vielen Flugausfällen). Wir suchen nach Gassen, wo wir noch nicht waren und trinken noch ein Bier. Dann holen wir das Gepäck, gehen nochmals auf die Toilette – sicher ist sicher! – und drängeln uns zum Bahnhof durch – die Straßen sind dank des schönen Wetters wieder gesteckt voll.
Irgendwann ist es dann eine halbe Stunde vor 16 Uhr. Wir nehmen einen der Züge und sind rasch am Flughafen. Dort überprüfen wir, zu welchem Gate wir müssen und machen uns auf den Weg. Als wir dort ankommen, wundern wir uns ein wenig, weil kaum Passagiere unterwegs sind – alles nur ein Medienscherz? In der Annahme, dass hinter der Tür, wo die anderen alle verschwinden, der Security-Check ist, machen wir unsere Getränke alle – Bodo ein Bier, ich eine Limonade.

Wir warten einen Moment, bis kaum jemand vorbeikommt und huschen durch die Türe … und werden ins Freie gelenkt, vor uns Hunderte, nein Tausende von Menschen mit Gepäck!!! Nur sehr langsam zieht die Karawane weiter. Ein Zeichen dafür, dass dies heute keine Einmalsituation ist, sind die Bretterböden und die Zeltüberdachungen und am Rande die Berge an leeren Plastikflaschen. 100 Meter, 200 Meter, … 500 Meter, dann hört das letzte Zelt zwar auf, aber die Menschenmenge muss noch ein paar Meter im Freien machen, bis es endlich wieder zurück geht. Sehr verwunderlich, dass alle so diszipliniert sind. Nur ein Mann eilt gegen den Strom zurück – er hat erkannt, dass er seinen Flug nicht mehr erreichen kann. Die Security eskortiert zumindest Eltern mit Kleinkindern und Personen im Rollstuhl schneller zum Ziel.

Ich habe eine andere Art der Not: meine Blase ist randvoll, mit jedem Schritt befürchte ich, die Kontrolle zu verlieren und überlege schon, über die knapp 1 Meter hohe Betonbegrenzung zu springen und – pfeif drauf! – auf die Straße zu pinkeln. Bodo versucht, mich zu beschwichtigen. Langsam, sehr langsam nähern wir uns wieder dem Flughafengebäude. Drinnen bitte ich einen Security, mich durchzulassen. Nur – wo sind die Toiletten? Ich frage eine Frau vom Bodenpersonal – sie: „Emergency?“ (also „Notfall“?) – ich: yes – und sie weist mir im Eilschritt den Weg – nur Frauen können verstehen! Erleichtert kehre ich zurück und finde Bodo in der Menge.

Es geht hinauf in die obere Ebene, dort werden wir dann mittels Absperrungen schlangenförmig weitergetrieben. Hallo – da ist er ja, der 3D-Scanner! Alles gut, nach 2 Stunden (nur) ist der Spuk vorbei!

Objektiv betrachtet ist dieses gemächliche Vorantreiben der Meute die beste Lösung, die das Flughafenmanagement anwenden kann, denn dadurch, dass man langsam, aber doch, ständig in Bewegung ist, hat jeder das Gefühl, dass was weitergeht. Nicht auszudenken, welche Szenen sich abspielen würden, wenn 10.000 Menschen auf kleinem Raum zusammengedrängt wären!

Der Grund für das Dilemma auf den europäischen Flughäfen? Natürlich Corona! Zuerst Entlassungen am laufenden Band, dann will keiner mehr zurück zu schlecht bezahlten Jobs, und dank der wieder erlangten Freiheiten hat das Virus wieder genügend Andockstellen!

Bodo und ich gehören zur Minderheit der FFP2-Masken-Träger!

Was tun mit so viel Zeit? 18 Uhr ist es – geplanter Abflug um 20:35.

Der Duty-free gibt nicht viel her – wir genehmigen uns aber zwei kleine Flascherln mit einem hochprozentigen Shot, um die Anspannung etwas zu lockern.

Wir lassen uns im Wartebereich unseres Abflug-Gates nieder, passen auf das Gepäck einer Hundebesitzerin auf, die mit ihrem Schatzi auch mal dringend „raus“ muss und starren ins Narrenkasterl. Dann die Mitteilung, dass unser Flieger anderswo andocken wird. Kaum haben sich die Passagiere dort breit gemacht, sehe ich per Zufall, dass wir schon wieder verlegt wurden – was soll das bitte?

Jetzt aber – oder doch nicht? Die Damen vom Bodenpersonal sind schon da, die Crew geht an uns vorbei – es könnte jetzt doch eigentlich losgehen? Weit gefehlt: neue Abflugzeit: 21:15 Uhr!

Und auch, als wir dann endlich im Flugzeug sitzen, braucht es noch eine Weile, bis die Piste frei ist.

Gegen 23 Uhr landen wir am Wiener Flughafen – geschafft: wir sind zumindest da!!! (einer meiner Kollegen, der am Freitag nachmittags fliegen wollte, ist erst am Sonntag in der Nacht angekommen …)

Wir steigen in die Schnellbahn – bleiben im Auffangraum stehen, weil es auf den ersten Blick keinen freien Sitzplatz gibt. Da kommen zwei Flughafenangestellte und bugsieren ein Pärchen mit viel Gepäck und einem Dackel in den Zug und geben ihnen das Wort „Rennweg“ mit auf den Weg. Wir fragen, ob wir helfen können, denn es ist offensichtlich, dass es sich hier um Ukrainer handelt. Es heißt, sie sollen bei der Station Rennweg aussteigen und zum Krankenhaus im 3.Bezirk gehen. Wir versichern, dass wir ihnen sagen werden, wann sie aussteigen müssen.

Die beiden sind vielleicht um die Dreißig – wie er als wehrdienstpflichtiger Mann aus der Ukraine flüchten konnte, bleibt ein Rätsel. Er ist etwas angetrunken, sie ist nervlich am Ende – leise streiten sie – unangenehm zum Anschauen / Zuhören.

Am Rennweg angekommen (das ist auch unsere Aussteigestation), bieten wir ihnen an, sie zum Krankenhaus zu begleiten. Die holprige Konversation können wir nur mit ihr führen, da sie einigermaßen verständliches Englisch spricht; er ist leider zu nichts zu gebrauchen und verhält sich wie ein trotziges Kind. Also schleppt Bodo die riesige und mega-schwere Reisetasche, ich nehme eine der anderen Taschen, sie den Rest und den Hund, auf den sie so stolz ist, weil er sich in den vier Tagen ihrer Odyssee im Bus über Moldawien so vorbildhaft verhalten hat.

Vor dem Krankenhaus fragen wir jemanden von der Berufsrettung, ob es hier denn überhaupt eine Auffangstation für Vertriebene gibt – natürlich gibt es sowas nicht! Aber bei der Messe Wien gibt es eine Halle, die zu diesem Zwecke mit Betten etc. ausgestattet wurde. Wir holen ein Taxi, ich gebe ihr mein einziges Bargeld – 100 Euro – und wir bitten den Taxifahrer, sie sicher dort abzuliefern. Wahrscheinlich hätten wir sie auch noch bis dorthin begleiten sollen, aber es ist fast schon 1 Uhr in der Nacht, und wir sind einfach fix & fertig – salzige Tränen schießen aus unseren Augen: Das sind nur Zwei von Millionen!

Die gute Seele in mir flüstert mir gerade zu: Vielleicht war es höhere Macht, dass das Flugzeug später geflogen ist und dass wir genau in diesen Zug und bei diesem Waggon eingestiegen sind. Unsere Hilfe war im Grunde lächerlich gering – nur wie hätten die beiden sich in der dunklen Nacht, wo niemand mehr auf der Straße unterwegs ist, in einer komplett unbekannten Gegend und mit einem lächerlichen Stadtplan zurechtfinden sollen? Ich hoffe, dass unsere Hilfe doch nützlich war!

Das war das Abenteuer A´dam – Bodo hat mich gebeten, ihm zum Geburtstag keine Städtereisen mehr zu schenken!